Protest ohne Ende: Verhärtete Fronten zwischen Fans und DFL

Mit einem nicht enden wollenden Regen an Tennisbällen protestierten die Fans von Hertha BSC zur besten Sendezeit gegen die Investoren-Pläne der Deutschen Fußball Liga. Selbst ein Spielabbruch scheint in dem verfahrenen Streit inzwischen möglich.

Die DFL verteidigt ihre Überlegungen als Chance auf Entwicklung und mehr Wettbewerbsfähigkeit – und kommt damit bei Teilen der organisierten Fans überhaupt nicht an.

Was ist in Berlin beim Zweitliga-Topspiel passiert?

Schon in der ersten Halbzeit flogen Tennisbälle aus dem Hamburger Block auf das Feld. Ab der 53. Minute ging es dann aus der Hertha-Kurve los. Das Spiel war mehr als 30 Minuten unterbrochen und stand kurz vor dem Abbruch. Trainer Pal Dardai und Torhüter Marius Gersbeck versuchten, auf die Fans einzuwirken. Erst nachdem Schiedsrichter Daniel Schlager die Spieler vom Feld geschickt hatte, ebbten die Würfe ab. 

«Kein Schiedsrichter und kein Vereinsverantwortlicher will, dass deswegen ein Spiel abgebrochen wird. Letztendlich müssen wir irgendwann das Spiel fortsetzen», sagte Schlager bei Sport1. «Wenn das dann nicht möglich ist, muss man am Ende auch zur letzten Konsequenz greifen – das wäre der Spielabbruch gewesen. Theoretisch möglich gewesen war es heute definitiv.» 

Auch beim Spiel Freiburg gegen Stuttgart gab es am Samstag eine rund zehnminütige Unterbrechung, weil Fans Gegenstände auf den Rasen warfen. In Köln flogen goldene Schoko-Taler auf den Platz. 

Bei Hannover 96, wo Mehrheitsgesellschafter Martin Kind wegen seiner Unterstützung des Investoren-Einstiegs umstritten ist, warfen Anhänger am Sonntag ab der 14. Spielminute achtmal Tennisbälle auf das Spielfeld. Die Bundesligaspiele in Wolfsburg und Leipzig waren danach in der ersten Halbzeit jeweils kurz wegen Fan-Aktionen unterbrochen.

Warum wird immer wieder protestiert?

Die aktiven Fanszenen scheinen das Gefühl zu haben, dass die DFL die Proteste aussitzen will und es keine Reaktion gibt. «Diese Abstimmung mit der Zustimmung, dass ein Investor in die Liga einsteigen kann, ist total falsch. Und wir müssen irgendwie versuchen, uns dagegen zu wehren», erklärte ein Vertreter der Hertha-Fanszene der Berliner Mannschaft am Samstagabend nach dem Spiel. Auch ein Spielabbruch wäre in Kauf genommen worden, hieß es.

Was plant die DFL?

Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen soll ein Finanzinvestor eine Milliarde Euro zahlen. Die DFL will einen Großteil der Einnahmen in die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells stecken, vor allem die Auslandsvermarktung stärken und Piraterie verhindern. Laut Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke soll der Investor noch in dieser Saison präsentiert werden. Die DFL hatte die Zahl der Bewerber von anfangs fünf in einer einstimmigen Präsidiums-Entscheidung auf die beiden Unternehmen Blackstone und CVC reduziert.

Was kritisieren die Fans?

In den aktiven Fanszenen herrscht eine generelle Skepsis gegenüber Investoren im Fußball, weil darin eine Gefährdung der Traditionen und eine weiter fortschreitende Kommerzialisierung des Sports gesehen wird. Bei der Hertha etwa hat man nach dem Investment von Lars Windhorst so gut wie alle Schattenseiten solcher Modelle erlebt. 

Dazu wird der Prozess kritisiert. Bei der finalen Abstimmung der 36 Proficlubs für den milliardenschweren Deal im Dezember war die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nur knapp zustande gekommen. Für Fragen sorgte das Abstimmungsverhalten von Martin Kind für Hannover 96, der vom Stammverein angewiesen war, dagegen zu sein. Das Fan-Bündnis «Unsere Kurve» fordert eine Wiederholung der Abstimmung.

Was droht der Hertha – was möglicherweise den Fans?

Der klamme Zweitligist fürchtet finanzielle Konsequenzen. «Das wird eine empfindliche Strafe nach sich ziehen», sagte Geschäftsführer Thomas Herrich. Für die Proteste zeigte er Verständnis – mit Einschränkungen. «Ich habe totales Verständnis für die Kritik. Es ist völlig legitim, Aktionen zu machen und Kritik zu äußern. Die Art und Weise ist das andere. Das ging mir deutlich zu lange», sagte der 59-Jährige.

Der DFB teilte am Sonntag mit, dass der Kontrollausschuss in der neuen Woche die Vorgänge rund um die Spielunterbrechung untersuchen werde. Aus der Recht- und Verfahrensordnung geht hervor, dass die Geldbuße in der Regel maßgeblich von der Menge der geworfenen Gegenstände und der Länge der Spielunterbrechung abhängt.

Die Fans könnten nach Einschätzung von Sportrechtler Paul Lambertz für die Kosten aufkommen müssen. «Das ist ein Schadenersatzanspruch und den kann man bei den Fans durchsetzen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. «Nicht bei allen Fans, sondern nur bei denen, die diese Störung herbeigerufen haben. Da muss man dann auch schauen, ob man die identifiziert kriegt.» Dies könne etwa der Fall sein, wenn der Deutsche Fußball-Bund eine Geldstrafe gegen einen Verein oder ein Spiel ohne Zuschauer verhänge.

«Das sind dann schnell Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende von Euro, die da als Schadenersatz im Raum stehen können», sagte Lambertz. «Das sind auch keine Forderungen, denen man sich im Wege einer Privatinsolvenz entziehen kann.» 

Ist eine Annäherung möglich?

Die Fronten sind verhärtet. Herrich kündigte bei Hertha einen Dialog mit den Fans an, allerdings haben die Berliner ohnehin gegen den Einstieg eines Investoren gestimmt. Spannender wird sein, ob die DFL oder andere Clubs noch einmal auf die Fans zugehen. Watzke hatte zuletzt gesagt: «Der Diskurs mit kritischen Fans macht uns alle stärker». Ohne die aktive und bunte Fangemeinschaft sei das Stadionerlebnis deutlich ärmer. «Gegenseitiger Respekt in den Diskussionen ist dabei unabdingbar und dabei ehrlicherweise manchmal noch ausbaufähig», sagte er.

David Langenbein, dpa