Radprofi Schachmann ohne Happy End nach Corona-Schock

Völlig entkräftet stand Maximilian Schachmann im Zielbereich der alten Formel-1-Rennstrecke nahe des Mount Fuji. Auch der anerkennende Schulterklopfer von Tour-Champion Tadej Pogacar konnte den deutschen Meister nur wenig aufmuntern.

«Das war nicht die optimale Vorbereitung. Wir sind gestern eingesperrt gewesen, nachdem wir diesen Positivfall hatten. Wir wussten erst heute Morgen, dass wir starten dürfen», schilderte der Radprofi die turbulenten Stunden in der deutschen Mannschaft nach dem positiven Corona-Test seines Teamkollegen Simon Geschke bei den Olympischen Spielen in Tokio und einer äußerst unruhigen Nacht.

Fünf Kilometer fehlen

So musste Schachmann, der sich akribisch auf das Straßenrennen vorbereitet und auf die Tour de France verzichtet hatte, am Ende über Platz zehn reden – und nicht über eine mögliche Medaille. «Ich will das nicht komplett auf gestern schieben. Wir bewegen uns in einem Bereich, da geht es um Bruchteile eines Prozents. Mir haben fünf Kilometer gefehlt», erklärte der gebürtige Berliner.

Fünf von 234 brutal schweren Kilometern, auf denen Schachmann schon am steilen Mikuni-Pass abgehängt war, sich aber wieder zurückkämpfte. Und doch war er am Ende gegen die beherzte Attacke des Tour-de-France-Dritten Richard Carapaz chancenlos. Der Mann aus Ecuador siegte vor dem belgischen Alleskönner Wout van Aert und Pogacar.

Bis zum Finale auf dem Fuji International Speedway war Schachmann «All in» gegangen, wollte auch nicht auf eine gute Platzierung spekulieren, sondern um den Sieg mitfahren. «Ich bin alle Attacken mitgefahren, aber am Ende habe ich zu viele Körner auf der Straße gelassen», erklärte der 27-Jährige nach der Tortur mit fast 5000 Höhenmetern sowie Temperaturen von über 30 Grad.

Quasi als Einzelkämpfer unterwegs

Schachmann war im auf drei Fahrer reduzierten deutschen Team quasi als Einzelkämpfer unterwegs. Vorausgegangen waren bange Stunden, nachdem Teamkollege Geschke am Freitagabend wegen eines positiven Corona-Tests passen musste und sein Zimmerkollege Emanuel Buchmann wegen eines Nachtests eine ganz kurze Nacht hatte. «Ich war um 3.30 Uhr im olympischen Dorf, um 5.00 musste ich einen Corona-Test machen und um 7.00 Uhr wieder aufstehen. Das sind keine idealen Voraussetzungen. Ich hatte nicht die Beine», schilderte der Tour-Vierte von 2019 sein nächtliches Programm in Japan und fügte hinzu: «Ich hoffe nur, dass ich morgen heimfliegen kann.»

Buchmann half Schachmann, wo er konnte. Und dieser bewies allen Widerständen zum Trotz ein großes Kämpferherz und machte mit großem Einsatz seine Nachteile am Berg wett. Doch es sollte nicht reichen. Stattdessen jubelte im Alleingang der frühere Giro-Sieger Carapaz, der aus der Spitzengruppe attackiert hatte und nun die Nachfolge des Belgiers Greg van Avermaet antrat.

Geschke in Quarantäne

Geschke saß indes im Quarantäne-Zimmer in Tokio. Erklären konnte er es sich nicht, zumal er bereits gegen das Virus geimpft ist. «Es war ein großer Schock. Ich habe den ganzen Tag gedacht, dass der positive Test ein Fehler ist», sagte Geschke am Samstag dem ZDF. Der PCR-Test habe dann aber das Ergebnis des Spucktests bestätigt, «wenn auch sehr schwach», wie Geschke betonte.

Sein Wert sei sehr gering gewesen. «In Europa dürfte ich reisen, auch bei der Tour», erklärte der gebürtige Berliner. «In Japan ist alles ein bisschen anders. Es kann sein, dass sie es ernster nehmen. Ich habe von zehn Tagen Quarantäne gehört, was schlecht wäre.» Symptome habe er nicht. «Körperlich fühle ich mich sehr gut. Wenn sie bestätigen würden, dass von mir keine Ansteckungsgefahr ausgeht, wäre ich gerne gefahren.»

Rund 10.000 Zuschauer durften das Finale auf den Tribünen sogar verfolgen. Im Zielbereich war die Hälfte der Tribünenkapazität zugelassen. In der Region Tokio werden die Wettkämpfe wegen des vierten Corona-Notstandes ohne Zuschauer ausgetragen. Trotzdem hatten sich viele Japaner dort an den Straßenrand gestellt. Die Behörden hatten die Bevölkerung eigentlich aufgerufen, wegen den steigenden Corona-Zahlen nicht an die Strecke zu gehen. Ein Verbot gab es aber nicht.

Von Tom Bachmann und Stefan Tabeling, dpa