Die viermalige Rodel-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger hat schon zwölf Wochen vor Beginn der Winterspiele das restriktive Vorgehen der chinesischen Beamten zu spüren bekommen.
Nachdem die Weltklasse-Athletin zunächst wegen eines Irrtums als Kontaktperson eingestuft und in Quarantäne geschickt worden war, konnte die 33-Jährige nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wieder trainieren. Bei Sonnenschein absolvierte Geisenberger ein Krafttraining an der frischen Luft.
Was war passiert? Im Flugzeug von Frankfurt/Main nach Peking soll Geisenberger zu nah an einer später positiv getesteten Person gesessen haben. So der offizielle Grund für die Isolation im Hotel in der Nähe der Olympia-Bahn in Yanqing. Doch auf diesen Plätzen hätten sie gar nicht sitzen können, weil der Laderaum überfüllt gewesen sei und daher auf ihren Plätzen Koffer gelagert worden seien, schrieb die Rodlerin auf Instagram und stellte als Beleg ein Foto mit Koffern im Passagierraum daneben.
Auch Eitberger und Taubitz betroffen
Doch die chinesischen Beamten hielten sich zunächst an das im olympischen Playbook des Veranstalters vorgegebene Krisenmanagement. Immerhin stand im Boarding-Pass ein anderer Sitzplatz für Geisenberger. Neben der Bayerin waren auch die deutschen Weltklasse-Athleten Dajana Eitberger und Julia Taubitz betroffen.
Frust breitete sich aus. «Und wir erfahren nicht mal den Grund, warum wir so behandelt werden und das alles über uns ergehen lassen müssen!», schrieb Geisenberger aus der Hotel-Quarantäne. Sofort wurden Parallelen zu Radprofi Simon Geschke deutlich, der bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio trotz doppelter Impfung nach einem positiven Corona-Test mehrere Tage in Hotel-Quarantäne musste. «Wenn man nicht mal ein Plastikmesser bekommen darf, um Obst zu schneiden. Oder das Fenster verriegelt wird, kann man das schon als unmenschlich beschreiben», sagte Geschke damals.
«Werden unseren Athleten keinen Maulkorb verpassen»
Geisenberger kritisierte die Situation im Hotel ebenfalls. «Wir dürfen nur aus dem Zimmer, wenn Bahntraining ist, bekommen nicht wirklich vernünftiges Essen in Plastikbechern und Tüten vor die Tür gestellt, haben keine Möglichkeit uns zu bewegen», postete sie. «Liebe FIL, könnt ihr uns bitte die Gründe nennen», wandte sie sich mit ihrem Hilferuf an den Weltverband. Immerhin hatten die Deutschen «sieben Tage ausschließlich negative Corona-Tests, kein einziger Kontakt zu einem positiv Getesteten!», berichtete die Bayerin.
Der Vorstandschef des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD), Thomas Schwab, gab Geisenberger Rückendeckung. «Ich stehe voll hinter Natalie. In so einem autoritären System ist alles immer ein bisschen anders, aber wir werden unseren Athleten sicherlich keinen Maulkorb verpassen», sagte Schwab in der ARD-Sportschau. Rodel-Bundestrainer Norbert Loch beschwichtigte dagegen etwas: «Der Begriff Quarantäne ist etwas übertrieben. Es ist eine Isolation. Es sind gerade alle ein bisschen aufgeregt. Athleten wollen natürlich am liebsten immer die Komfortzone haben, aber das sind die Regeln und die gilt es jetzt zu befolgen.»
Der Rodel-Weltverband FIL reagierte diplomatisch und verwies auf die bekannten Regeln. «In China gibt es sehr strenge Covid-19- Regularien, die im Playbook für Athletinnen und Athleten sowie Teams veröffentlicht wurden. Die chinesischen Gesundheitsbehörden legen diese Regeln fest und bestimmen auch die Kontaktpersonen. Alles wird sehr streng kontrolliert», sagte FIL-Exekutivdirektor Christoph Schweiger und fügte an: «Wenn man zum Beispiel als Kontaktperson zu einem Infizierten identifiziert wird, hat man für 14 Tage mit Einschränkungen wie Quarantäne im Einzelzimmer, alleine essen, ständig Maske tragen, engmaschigen Covid-Tests und so weiter zu rechnen.» Allerdings «darf man aber an den Trainings und Wettkämpfen teilnehmen so lange man negativ getestet wird».
Derzeit befinden sich die Rodler in China, um die Bedingungen auf der neuen Olympia-Bahn in Yanqing zu testen. Am 20. und 21. November soll auf der Bahn der Auftakt zum Rodel-Weltcup erfolgen.