Ruderer Zeidler bessert düstere deutsche WM-Bilanz auf

Missratene Ouvertüre, umjubelter Schlussakkord – Oliver Zeidler hat dem Deutschen Ruderverband am letzten Tag einer historisch schwachen Ruder-WM doch noch das ersehnte Gold beschert.

Im Einer-Finale der Titelkämpfe von Racice (Tschechien) verwies der Weltmeister von 2019 den favorisierten Europameister Melvin Twellaar aus den Niederlanden und den Briten Graeme Thomas auf die Plätze zwei und drei. «Auf dieses Erfolgserlebnis habe ich lange gewartet. Es ist ein Booster fürs Selbstbewusstsein», kommentierte Zeidler seinen imposanten Start-Ziel-Sieg. «Wenn man solch eine Regatta gewinnt, kann man sich auf die Schulter klopfen.»

Anders als beim enttäuschenden vierten Rang bei der Heim-EM in München vor sechs Wochen ging die mutige Taktik des 26-Jährigen diesmal auf. Im Schlussspurt bewies er Stehvermögen und kam mit einer halben Bootslänge Vorsprung ins Ziel. Am Ende fehlte selbst die Kraft zum Jubeln. Erst bei der Siegerehrung kehrte beim 2,03 großen Modellathleten das Lächeln zurück. Auf den Schultern seiner beiden Kontrahenten posierte Zeidler für die Fotografen.

Dass der Erfolg mit Hilfe seines Vaters Heino Zeidler jenseits der meisten Verbandsmaßnahmen gelang, erfüllte ihn mit Stolz: «Wir haben untermauert, dass mein Vater und ich tolle Arbeit an einem Nicht-Bundesstützpunkt machen. Mein Vater als Nicht-Bundestrainer zeigt allen, wie es richtig geht.»

Bedenkliche Entwicklung beim DRV

Der beherzte Auftritt von Zeidler kann jedoch nicht über die bedenkliche Entwicklung des DRV hinwegtäuschen. Außer mit dem Einer und dem Frauen-Doppelzweier, der Sechster wurde, war der größte Ruderverband der Welt in keinem anderen der insgesamt 14 Finals der olympischen Klassen vertreten. Das hatte es seit der Einführung der WM im Jahr 1962 noch nie gegeben.

Selbst der über Jahre erfolgreiche Deutschland-Achter verpasste erstmals seit Peking 2008 den Endlauf eines Saisonhöhepunktes, gewann aber immerhin das B-Finale am Sonntag vor China. «Insgesamt sind wir weit weg von der Weltspitze. Wir müssen jetzt ganz schnell mit der harten Arbeit beginnen», kommentierte Trainer Uwe Bender. Wie der Achter beendete auch die EM-Dritte Alexandra Föster aus Meschede nach ihrem Einer-Sieg im B-Finale die Regatta als Siebte.

Eine schnelle Trendwende tut not. Schließlich bleibt bis zur Vergabe der olympischen Startplätze bei der WM im kommenden Jahr in Belgrad nicht mehr viel Zeit. Brigitte Bielig ist guter Dinge, dass die deutschen Ruderer bis dahin wieder zur Weltspitze aufschließen können. «Wir sind in einem Umbruchprozess mit vielen jungen Sportlern. Ich sehe Potenzial in allen Bereichen», sagte die DRV-Cheftrainerin der Deutschen Presse-Agentur.

Externe Agentur soll Weg aus der Krise finden

Doch allein auf diese Einschätzung will sich die Verbandsführung nicht verlassen. Wie noch während der WM verkündet, soll eine externe Agentur mit der Suche nach Wegen aus der Krise beauftragt werden und nicht – wie ursprünglich geplant – ein verbandsinterner Expertenrat.

Mit dieser Entscheidung kann Bielig leben, verwies aber auf bereits eingeleitete erste Reformen: «Wir haben gerade in diesem Jahr mit dem Sportdirektor so viel umgestellt. Aber das muss natürlich erst einmal greifen.» Sie hofft auf größere Transparenz: «Ich glaube nicht, dass wir mit unseren Strukturen so falsch liegen. Die müssen nur anerkannt werden in Ruder-Deutschland. Wenn der Rufer im eigenen Land nichts gilt, muss es halt ein externer machen.»

Bielig wünscht sich vor allem mehr Ruhe. «Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg, müssen es aber nur mal durchhalten und nicht immer Störfeuer von links und rechts kriegen, was die Arbeit erheblich erschwert», sagte sie mit Bezug auf die zum Teil deutliche Kritik von Sportlern an der Verbandsführung. Entschlossen fügte sie an: «Wir müssen den Sportlern Zielorientierungen geben, mit ihnen kommunizieren, aber wir müssen auch fordern.»

Von Heinz Büse, dpa