Das glamouröse Foto-Shooting am Tag nach ihrem größten Triumph war ganz nach dem Geschmack von Aryna Sabalenka. Im auffällig verzierten rosa Kleid und in blauen Stöckelschuhen posierte die extrovertierte Tennisspielerin in den Royal Botanic Gardens Victoria, immer in ihrer Nähe: der Silberpokal für den Grand-Slam-Turniersieg bei den Australian Open.
«Ich mag das Posieren – besonders als Grand-Slam-Champion. Es ist der beste Morgen meines Lebens», sagte die Belarussin freudestrahlend: «Ich fühle mich immer noch wie auf einem anderen Planeten.»
Dass auf der Trophäe zwar ihr Name, daneben aber nicht der ihres Heimatlandes Belarus eingraviert war, schmälerte Sabalenkas Freude kaum. Vor dem Hartplatzturnier in Melbourne hatte sie noch davon gesprochen, dass sie sich als neutrale Athletin fühle, als komme sie «von nirgendwo». Doch nach zwei berauschenden Erfolgswochen mit dem Happy End im spannenden Finale spielte all das keine Rolle mehr.
Statement gegen den Krieg
«Ich denke, jeder weiß noch, dass ich eine belarussische Spielerin bin», sagte sie nach dem 4:6, 6:3, 6:4-Sieg im hochklassigen Finale gegen die kasachische Wimbledon-Gewinnerin Jelena Rybakina. Wegen des Angriffskrieges in der Ukraine durfte Sabalenka wie alle belarussischen und russischen Athleten nur unter neutraler Flagge spielen, nachdem sie deswegen Wimbledon vor einem halben Jahr sogar verpasst hatten. Das sei «schrecklich», hatte sie Ende Dezember gesagt, «denn niemand unterstützt den Krieg, niemand.»
Doch von Gefühlen wie Genugtuung oder gar Rache wollte sich die 24-Jährige die Laune nicht vermiesen lassen. Sabalenka hielt den Pokal wie ein Baby in ihren Armen. Das Dauergrinsen verschwand gar nicht mehr aus ihrem Gesicht nach dem großen Sieg, der auch einer über sie selbst war. Mit «guter Pizza» und «ganz viel Süßigkeiten» wollte sie sich dafür belohnen, «und vielleicht mit ein bisschen Champagner», sagte Sabalenka in der Pressekonferenz. Sie nippte an einem Glas des prickelnden Alkoholgetränks und witzelte: «Das ist ein Guter, das wird lustig.»
Extreme Dominanz
Das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres endete mit einer würdigen Siegerin. Von ihren insgesamt 524 Punkten erzielte die extrem dominante Sabalenka 247 mit direkten Gewinnschlägen. Im packenden Finale ließ sie sich auch vom verlorenen ersten Satz, in dem sie eine längst überwunden geglaubte Aufschlagschwäche offenbarte, nicht aus der Fassung bringen. Früher hatten ihre Emotionen sie oft geleitet, jetzt ist es andersrum. «Jedes Mal, wenn ich einen schwierigen Moment auf dem Platz hatte, habe ich mich daran erinnert, dass ich gut genug bin, um all das zu lösen.»
Außer über den ersten großen Titel und das Preisgeld von umgerechnet rund 1,95 Millionen Euro darf sich Sabalenka auch über den Aufstieg auf Platz zwei der Weltrangliste freuen. Nun will sie die führende Iga Swiatek aus Polen verdrängen. Ein Major-Turnier zu gewinnen sei «nicht das letzte Ziel auf meiner Liste», kündigte Sabalenka an. Die kommenden Tage wolle sie aber den Moment genießen – in ihrer Wahlheimat Miami, nicht in Belarus.
Die gebürtige Russin Rybakina, die seit 2018 für Kasachstan startet, hatte im Finalmatch ebenfalls groß aufgespielt. «Was für ein tolles Finale!», schwärmte auch Bundestrainerin Barbara Rittner bei Eurosport: «Das ist das Tennis der Zukunft: harte Grundlinienschläge, Initiative, tolle Aufschläge.»