Schanzengleichheit ist relativ: Althaus‘ Kurztrip in China

Im Idealfall kann Katharina Althaus innerhalb von drei Tagen Doppel-Olympiasiegerin werden.

Am Samstag im Einzel, bei dem die 25-Jährige nach dem coronabedingten Ausfall von Österreichs Marita Kramer Mitfavoritin ist. Am Montag bei der Premiere des Mixed, das Deutschland bei Weltmeisterschaften seit 2015 durchweg mit Gold beendet hat. Doch so strahlend Althaus‘ individuelle sportliche Perspektive auch ist, so hart gestaltet sich weiter der Kampf für mehr Gleichheit an den Schanzen. Denn während die Männer nach dem vollen Auftaktwochenende auf die große Anlage von Zhangjiakou wechseln, geht es für die Frauen direkt zurück in die Heimat.

«Wir wünschen uns eine Großschanze bei Olympia»

Hinfliegen, zwei Wettkämpfe, heimfliegen. Als Althaus jüngst in einer Presserunde den Satz «Schön, dass wir in Peking die olympische Premiere im Mixed haben, aber schade, dass…» vollenden sollte, sagte die gut gelaunte und stets positiv gestimmte Oberstdorferin mit Blick auf die vergangenen Winterspiele: «…wir das nicht schon in Pyeongchang hatten und dann im nächsten Schritt ein Teamspringen möglich gewesen wäre.» Die Frauen kommen der angestrebten Gleichberechtigung zwar sukzessive näher, aber in sehr überschaubaren Schritten.

«Wir wünschen uns eine Großschanze bei Olympia und ein Teamspringen. Aber wir sind schon mal recht zufrieden, wie es jetzt läuft», sagte Althaus. Während in den meisten anderen olympischen Wintersportarten schon lange Gleichberechtigung herrscht, ist die Mängelliste der Skispringerinnen noch immer lang: keine Vierschanzentournee, kein Skifliegen, weniger Olympia-Wettbewerbe. Dazu ein Weltcup-Kalender, der auf dem Papier zwar gut aussieht, bei Ausfällen aber relativ schnell dünn wird. Während sich bei Karl Geiger & Co. selbst bei kurzfristigen Absagen immer recht schnell ein Ersatzgastgeber findet, ist das bei den Frauen offensichtlich nicht so leicht.

Ersehntes Statussymbol Tournee

«Der Kalender wäre grundsätzlich super gewesen dieses Jahr. Leider ist Japan ausgefallen, das war schade. Auch, dass kein anderer Ort gefunden werden konnte», sagte Bundestrainer Maximilian Mechler. Vieles lässt sich sicher auf die Corona-Situation schieben, auch die verzögerte Einführung des so sehr ersehnten Statussymbols Tournee. Ein Neujahrsspringen gab es 2022 für die Springerinnen erstmals – aber nicht auf der Großen Olympiaschanze von Garmisch-Partenkirchen wie bei den Männern, sondern in der slowenischen Provinz von Ljubno.

Das Thema Geschlechtergerechtigkeit gibt es in den drei nordischen Skisportarten in allen Facetten. Während zwischen Langläuferinnen und Langläufern überhaupt nicht unterschieden wird, befinden sich die Skispringerinnen seit gut einem Jahrzehnt auf dem mühsamen Weg zur Gleichstellung. Am krassesten ist der Unterschied bei der Kombination, die bei den Frauen noch immer nicht im Olympia-Programm stattfindet und frühestens in Mailand 2026 debütieren könnte. Auch zur WM-Premiere kam es erst im Vorjahr in Oberstdorf.

Svenja Würth kennt das alles. Sie bestritt den Weg zunächst viele Jahre als Skispringerin und wechselte dann in die Kombination, in der sie nun wieder Aufbauarbeit leisten muss. «2026 wird es höchste Zeit, dass unser Sport endlich olympisch wird», sagte Würth. Das sieht Bundestrainer Klaus Edelmann genauso, er hält eine Einführung für «unbedingt notwendig». Im Zuge dieser Entscheidung, die im Sommer 2022 fallen soll, werden auch Althaus & Co. auf mindestens einen weiteren Wettbewerb hoffen. Damit die olympische Italien-Reise in vier Jahren nicht wieder zum Kurztrip wird.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa