Schatten über den Paralympics: Putin, Pandemie und Peking

Putin, Pandemie und Peking – über den Paralympischen Winterspielen in China liegen vor dem Start am Freitag gleich drei Schatten, die die Vorfreude maßgeblich trüben.

Zwar hat das Internationale Paralympische Komitee mit seiner Kehrtwende und dem Ausschluss von Russland und Belarus wegen des Krieges in der Ukraine eines der größten Aufregerthemen kurz vor dem Start am Freitag vorerst abgeräumt. Doch ein unbelastetes und fröhliches Sportfest dürften die Spiele kaum werden. Dazu tragen neben dem Krieg von Russlands Präsident Wladimir Putin auch Kritik am Gastgeber wegen Menschenrechtsverletzungen und Sorgen durch die Corona-Pandemie bei.

Russland und Belarus nun doch ausgeschlossen

In der größten Streitfrage lenkte das Internationale Paralympische Komitee einen Tag vor Beginn der Spiele ein. Nach Empörung und Boykottdrohungen schloss das IPC Russland und Belarus doch aus und revidierte damit seine Entscheidung vom Vortag. Mehrere Verbände, Teams und Athleten hätten mit einem Boykott gedroht, teilte das IPC mit. Auch die Situation in den Athletendörfern eskaliere, wodurch die Sicherheit der Athleten unhaltbar geworden sei.

Endgültig entschieden ist die Frage damit aber möglicherweise dennoch nicht. Das russische Paralympische Komitee will sich das Recht vorbehalten, die Entscheidung beim Internationalen Sportgerichtshof Cas anzufechten. Der Beschluss sei «unvernünftig» und widerspreche den Grundprinzipien des unpolitischen Charakters der paralympischen Familie, zitierten Agenturen aus einer Mitteilung. Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte den Beschluss als «katastrophal».

Aus der übrigen Sportwelt erhielt das IPC dagegen viel Zustimmung. «Das Zusammenstehen sehr vieler Nationen hat für das dringend erforderliche Umdenken gesorgt. Der gestrige Beschluss hat uns schockiert und ein dunkles Licht auf diese Spiele geworfen», sagte Präsident Friedhelm Julius Beucher laut Mitteilung des Deutschen Behindertensportverbands. Das IPC sei dem Willen des Großteils der nationalen Komitees und Athleten gefolgt. «Das ist ein starkes Zeichen für Demokratie innerhalb der paralympischen Bewegung.»

Weikert: «IPC-Kehrtwende einzig mögliche Reaktion»

Beim Deutschen Olympischen Sportbund stieß der Schritt ebenfalls auf Anerkennung. «Die Kehrtwende des Internationale Paralympische Komitees war die einzig mögliche Reaktion auf die weltweiten Proteste», sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert. «Die Weltgemeinschaft sendet klare Botschaften in Richtung der russischen und weißrussischen Aggressoren.»

Die Vereinigung Athleten Deutschland lobte den Einfluss der Sportler und Sportlerinnen sowie der nationalen Komitees, kritisierte aber, die Entscheidung hätte «als Antwort auf die russische Aggression und den Bruch des Olympischen Friedens» früher getroffen werden müssen.

Eigentlich hatte das IPC die Sportler aus Russland und Belarus als neutrale Athleten und unter der paralympischen Flagge teilnehmen lassen wollen. «Wir beim IPC sind fest davon überzeugt, dass Sport und Politik nicht vermischt werden sollten», sagte IPC-Chef Andrew Parsons. «Doch ohne eigenes Verschulden ist der Krieg nun zu diesen Spielen gekommen.» In den vergangenen Tagen hatten bereits weltweit Sportverbände reagiert und russische Sportler und Vereine aus Protest gegen den Krieg ausgeschlossen.

Paralympics im politischen Fokus

Durch die Ereignisse der letzten Tage sind die Paralympics mehr denn je zu dem mutiert, was Sportveranstaltung meist nicht sein wollen: Eine politische Veranstaltung. Bei der Eröffnungsfeier am Freitag (12.50 Uhr MEZ/ZDF) wird trotz des kurzfristigen Ausschlusses von Russen und Belarussen der Krieg in der Ukraine präsent sein.

Und dennoch geht es für das 17-köpfige deutsche Team um die beiden Fahnenträger Anna-Lena Forster und Martin Fleig in den nächsten Wochen um sportliche Höchstleistungen und Medaillen. Die Erwartungen an die Mannschaft sind jedoch geringer als vor vier Jahren in Pyeongchang, als das deutsche Team mit sieben Mal Gold, acht Mal Silber und vier Mal Bronze Rang fünf im Medaillenspiegel belegte. «Wir fahren mit einer Mannschaft im Umbruch dahin», sagte Beucher.

Der DBS-Präsident fasste die Stimmung unter den Sportlern drastisch zusammen. «Krieg ist immer scheiße», sagte der 75-Jährige. Das seien auch Dinge, «von denen man sich nicht freimachen kann. Unsere Aufgabe ist es, von den Sportlerinnen und Sportlern so viele Einflüsse wie möglich von außen wegzuhalten.» Das wird kaum möglich sein. Stattdessen werden es wohl die politischsten Spiele, die es je gab.

Von Holger Schmidt, Miriam Schmidt und Stefan Tabeling, dpa