Als Tiger Woods dem 21 Jahre jüngeren Scottie Scheffler zum erstmaligen Erfolg beim Masters gratulierte, wusste er wohl noch gar nicht, wie groß sein Einfluss auf den Sieger war.
«Ich habe seine Eisen gespielt, seine Schuhe getragen, in dieser Woche sein Shirt getragen», berichtete Scheffler nach dem größten Erfolg seiner Golf-Karriere. Die Youtube-Videos von Woods, dessen Comeback nur 14 Monate nach dem schweren Autounfall die Sportwelt in Verzückung versetzt hatte, seien «eine Inspiration für mich», erzählte der 25-Jährige. Und er habe sich daran erinnert, wie sich Woods bei dessen Premieren-Sieg 1997 nie in seiner Konzentration stören ließ. Er habe versucht, sich ebenso zu verhalten wie sein Vorbild: «Danke, Tiger.»
«Gratulation an Scottie Scheffler zu einem herausragenden Sieg», hatte Woods vor diesem Bericht über Schefflers Bewunderung für ihn getwittert und von einem «speziellen Lauf» geschrieben. Er selbst hatte mit der Entscheidung an der berühmten Magnolia Lane auf dem Augusta National Golf Club im US-Bundesstaat Georgia nichts zu tun. Noch nach dem ersten Tag seines bemerkenswerten Comebacks hatte die 71er-Runde auf dem Par-72-Kurs die Fans zwar zum Träumen gebracht, zwei 78er-Runden am Samstag und Sonntag holten alle aber schnell wieder zurück in die Realität.
Woods: «Ein unglaubliches Gefühl»
In der konnte Woods glaubhaft versichern: Für ein Turnier, das er nicht gewonnen habe, sei die vergangene Woche einer der größten Erfolge gewesen. «Ohne Frage.» Denn 14 Monate nach dem Autounfall, der ihn das Leben, das rechte Bein oder mindestens die Karriere hätte kosten können, hatte der 46-Jährige im Gegensatz zu den Topspielern Jordan Spieth, Brooks Koepka, Kraftpaket Bryson DeChambeau und Olympiasieger Xander Schauffele den Cut geschafft.
«Es war ein unglaubliches Gefühl. Worte können es nicht wirklich beschreiben», sagte Woods. «Wenn man bedenkt, wo ich vor etwas mehr als einem Jahr war und was meine Perspektiven waren, nun hier zu sein und vier volle Runden zu spielen. Noch vor einem Monat war ich mir nicht sicher, ob ich das schaffen kann.»
Auch Scheffler suchte nach den passenden Worten für den vorläufigen Höhepunkt einer Karriere, die vor gerade mal acht Wochen erst so richtig Fahrt aufgenommen hatte. Da gewann er in Phoenix erstmals ein PGA-Turnier. Es folgten zwei weitere Turniersiege und der Aufstieg zur Nummer eins der Golf-Weltrangliste – und nun der souveräne Sieg beim Masters mit am Ende drei Schlägen Vorsprung auf Rory McIlroy. Der Nordire lieferte mit einer überragenden 64er-Runde zwar die beste Tagesleistung des ganzen Turniers und kletterte noch um sieben Plätze. An die 278 Schläge von Scheffler aber kam er nicht mehr ran.
Rekordpreisgeld für Scheffler
Vor den zwei verpatzten Putts an Loch 18 hatte Scheffler sogar noch fünf Schläge Vorsprung gehabt, dann aber im Bewusstsein des sicheren Sieges doch seine Umgebung wahrnehmen wollen und prompt die Konzentration verloren. «Das Ergebnis hat man gesehen», scherzte er über die zwei Schläge aus Nahdistanz, die nicht ins Loch fielen. Der Double Bogey zum Ende hatte aber keinerlei Auswirkungen mehr auf den Jubel und die Umarmungen mit Ehefrau Meredith und vielen Mitgliedern der Familie. Wenig später half ihm Vorjahressieger Hideki Matsuyama der Tradition folgend ins legendäre grüne Jackett, das in diesem Jahr neben dem lebenslangen Startrecht beim Masters auch einen Scheck über 2,7 Millionen US-Dollar (rund 2,5 Millionen Euro) mit sich brachte.
Bei der Siegerehrung im warmen Licht des Sonnenuntergangs kamen Scheffler beim Dank an die Familie kurz die Tränen – wie bereits Stunden vor der letzten Runde. «Ich habe geheult wie ein Baby, ich war so gestresst», berichtete er mit bemerkenswerter Offenheit. «Ich saß da und habe Meredith erzählt, dass ich nicht denke, bereit dafür zu sein.» Er habe sich überwältigt gefühlt. Seine Frau habe ihm dann gesagt, dass Gott alles unter Kontrolle habe.