Schluss mit dem Flick-Werk? DFB-Elf in alarmierendem Zustand

Mit starrem Blick bahnte sich Hansi Flick den Weg vorbei an Dutzenden Kameras hinaus in die Wolfsburger Nacht. Mit einer bemerkenswerten Selbstverklärung verließ der angezählte Bundestrainer nach der 1:4-Blamage der Fußball-Nationalmannschaft gegen Japan jene Arena, in der er 2021 seinen Abschied vom FC Bayern verkündet hatte.

«Ich finde, wir machen es gut, und ich bin der richtige Trainer», sagte Flick. Wirklich? Wer glaubt noch daran? Am Dienstag (21.00 Uhr/ARD) wartet Vize-Weltmeister Frankreich. Wer und was ist nun gefragt:

Der Deutsche Fußball-Bund

DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der sich nach den Enttäuschungen im Juni noch deutlich vor Flick gestellt, vom festen Vertrauen und dem richtigen Weg gesprochen hatte, vermied am Samstagabend ein weiteres Bekenntnis. «Wir tun alle gut daran, erstmal eine Nacht darüber zu schlafen», sagte der einstige Teamchef. «Hansi Flick tut mir ein bisschen leid, wie das jetzt gelaufen ist.» Das 1:4 sei eine Blamage. «In drei Tagen spielen wir gegen die beste Mannschaft Europas, das wird natürlich schwierig. Aber wir dürfen uns auch nicht in die Hose machen», sagte Völler.

Der bei weitreichenden Entscheidungen und Aussagen zunächst immer zurückhaltende DFB-Präsident Bernd Neuendorf äußerte sich spontan nicht – im Profifußball-Geschäft an sich kein gutes Zeichen für Trainer. Die Berufung und Abberufung des Bundestrainers sind beim DFB keine Entscheidungen Einzelner, sondern immer Angelegenheit der Gremien. Dennoch: Tonangebend wird Völler sein.

Die Handlungsoptionen

Neuendorf, Völler, das Verbandspräsidium, die Task Force mit den alten Granden des deutschen Fußballs – sie müssen die Grundsatzentscheidung treffen: Mit oder ohne Flick gegen Frankreich. Einen EM-tauglichen Nachfolger innerhalb weniger Stunden zu finden, ist fast unmöglich. Denkbar wäre eine Übergangslösung für Frankreich und ein Neustart für die anstehende USA-Reise im Oktober. Bleibt Flick, braucht er gegen Frankreich ein überaus überzeugendes Erfolgserlebnis. Aber auch dann wird die Japan-Blamage hängen bleiben.

Die Namen

Als mögliche Nachfolger waren zuletzt mehrere Kandidaten genannt, alle mit Einschränkungen. Der frühere Bayern-Trainer Julian Nagelsmann (36) wäre teuer. Jürgen Klopp (56), seit Jahren Wunschkandidat, wird beim FC Liverpool verehrt. Reformer Ralf Rangnick (65) ist bei Österreichs Nationalteam gebunden und im Nachbarland sehr erfolgreich. Stefan Kuntz (60) trainiert die Türkei. Der einstige U21-Erfolgstrainer könnte aber nicht abgeneigt sein, zum DFB zurückzukehren, auch wenn der Verband einst Flick ihm vorzog.

Auf dem Markt ist der Österreicher Oliver Glasner (49), der Eintracht Frankfurt zum Europa-League-Triumph geführt hatte. Matthias Sammer (56) sitzt in der DFB-Task-Force, hatte ein Trainer-Comeback aber immer ausgeschlossen. Ließe er sich im nationalen Notstand überzeugen? Was ist mit dem als TV-Experten geschätzten Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (62), der Trainererfahrung hat? Ein Comeback von Weltmeister-Coach Joachim Löw wäre eine extrem gewagte DFB-Lösung.

Die Japan-Blamage

Flick erklärte, dass sich das Team gut vorbereitet habe und gut vorbereitet werde – auch, wenn es am Abend in Wolfsburg schwer nachvollziehbar sei. «Das werden wir auch weiter tun, da gibt es nichts dran zu deuteln. Das werden wir auch weiter so machen», sagte Flick. «Wir sind überzeugt von dem, was wir machen. Deswegen geht es auch so weiter für mich.»

Gegen die motiviert und besser eingestellten Japaner war dramatisch schiefgegangen, was sich Flick ausgedacht hatte. Das neue System mit Joshua Kimmich als immer wieder ins Mittelfeld rückender Rechtsverteidiger für den «asymmetrischen Aufbau» ging nicht auf. Flick korrigierte lange nichts. Linksverteidiger Nico Schlotterbeck, der diese Position bei Borussia Dortmund gar nicht kennt, leistete sich mehrere schwere Fehler, die auch zu den ersten Gegentoren führten.

«Sie werden nicht von mir hören, dass ich irgendeinen Spieler anprangere. Das sind Dinge, die wir intern besprechen», sagte Flick, der grundsätzlich von zu vielen individuellen Fehlern sprach. Der für Schlotterbeck eingewechselte Robin Gosens verursachte das 1:3. «Jeder Einzelne, der auf dem Platz war, möchte gegen Frankreich ein anderes Spiel zeigen. Das gibt mir Hoffnung, wir bereiten uns jetzt auf Dienstag vor», sagte Flick.

Von Jan Mies, Klaus Bergmann und Sebastian Stiekel, dpa