Die Gesundheit von Charakterkopf Axel Witsel wurde in Belgien die vergangenen Tagen beinahe zu einem Thema nationaler Bedeutung hochstilisiert.
Die Teamkameraden lobten den Dortmund-Profi überschwänglich, Medien schrieben seine Rückkehr regelrecht herbei und der Verband setzte zwei Ärzte aufs Pressepodium, die 25 Minuten ausschließlich über die im Januar gerissene Achillessehne und die folgende Genesung Witsels dozierten. Die präsentierten Aussichten geben dem EM-Mitfavoriten Grund zur Zuversicht: Witsel soll am Donnerstag (18.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) gegen Dänemark erstmals wieder zum Einsatz kommen.
Sowohl der Dortmunder als auch der noch prominentere Kevin De Bruyne von Manchester City werden beim Dänemark-Spiel zum Kader gehören, bestätigte Trainer Roberto Martínez am Mittwoch. Die Frage sei: «Wie lange kann Kevin spielen, und wie nutzen wir die beiden nächsten Spiele innerhalb von fünf Tagen, um ihn wieder an einen Einsatz über 90 Minuten heranzubringen?» Witsel sei sogar schon einen kleinen Schritt weiter, weil er bereits «in das Programm für die beiden Spiele gegen Kroatien vor der EM und gegen Russland bei der EM involviert war», ohne dabei jedoch zum Einsatz zu kommen.
Risiko ist «nicht bei null»
Das Risiko eines Rückfalls sei bei Witsel «nicht bei null, aber es ist ein kalkulierbares», sagte auch der Teamarzt Geert Declerq. «Nach der Diskussion mit Trainer und Spieler denken wir, dass Axel spielen kann.»
Im komplizierten belgischen Personalpuzzle ist Witsel ein ganz wichtiges Teil. Der Spanier Martínez merkt seinem Team das lange Corona-Jahr an, hat zudem mehrere ältere und angeschlagene Spieler in den Reihen. Bei Schlüsselspieler Kevin De Bruyne wird ebenfalls eine zeitnahe Rückkehr ersehnt, nachdem er nach einem Crash im Finale der Champions League am Gesicht operiert wurde. Ob es bei ihm, der den EM-Start ebenfalls verpasste und seit Montag wieder mit dem Team trainiert, schon für die zweite Partie reicht, ist aber offen. Bei der Abreise nach Dänemark war er am Mittwochvormittag aber zu sehen.
Schnelles Comeback
Für Witsel kommt das Comeback nach fünf Monaten sehr schnell. Doch wer sich im belgischen Quartier in den vergangenen Tagen umhörte, konnte sich vor Schwärmereien kaum retten. «Er sieht so aus, als wäre er nie weg gewesen. Das ist wirklich unglaublich. Wir hätten das nicht gedacht. Dass er dazu im Stande ist, ist einfach fantastisch», schilderte Mittelfeldspieler Youri Tielemans, der in direkter Konkurrenz zu Witsel steht. Selbst Witsels für Dänemark spielender BVB-Kollege Thomas Delaney sagte: «Ich bin glücklich für ihn und auch etwas überrascht.»
Witsel ist nicht nur wegen der personellen Situation wichtig – sondern auch für die Statik des Spiels beim extrem ambitionierten WM-Dritten. Mit den beiden Hazard-Brüdern Eden und Thorgan, Dries Mertens, Yannick Carrasco sowie dem bald in die Startelf zurückkehrenden De Bruyne gibt es im belgischen Kader jede Menge feine Füße. Doch wenn Witsel im stets praktizierten 3-4-2-1-System einen der beiden Posten als Sechser einnimmt, gewinnt das Team massiv an Stabilität. Gegen Dänemark dürfte es aber nach fünf Monaten Fußball-Pause zunächst einmal auf einen Jokereinsatz rauslaufen.