Wie der glückliche Kapitän von WM-Rekordstartern sah Dennis Schröder nicht aus. Stattdessen verließ Deutschlands Basketball-Hoffnung angeschlagen und kommentarlos die Okinawa-Arena, in der das deutsche Team zuvor beim 100:73 gegen Georgien die perfekte Bilanz gewahrt und einen weiteren großen Schritt Richtung Endrunde in Manila gemacht hatte.
«Das ist ein Turnier, bei dem Verletzungen passieren. Wir spielen drei Spiele in fünf Tagen. Alle Teams müssen damit klarkommen. Dennis ist ein großer Kämpfer. Wir müssen sehen, wie es ihm morgen geht», sagte Bundestrainer Gordon Herbert über seinen Anführer, der offenbar mit Rückenschmerzen zu kämpfen hatte und im dritten Viertel vorzeitig ausgewechselt werden musste. Schröder kehrte zwar zurück auf die Bank, spielte aber nicht mehr.
Schröder-Ausfall droht
Sein Ausfall wäre vor dem Duell mit Slowenien und Luka Doncic am Sonntag (13.10 Uhr/Magentasport) das Letzte, was Deutschland gebrauchen kann. Verbandspräsident Ingo Weiss gab immerhin leichte Entwarnung. «Ich habe Dennis gerade gesehen. Er hat mir gesagt, dass alles ok ist», sagte Weiss der «Bild». Chefcoach Herbert war in den vergangenen drei Spielen bereits damit beschäftigt, den verletzten Jungstar Franz Wagner zu ersetzen. Schröder und Wagner gelten als die beiden Schlüsselspieler des Teams.
Abseits der Verletzungssorgen läuft es weiter rund. Die «schlechteste Leistung» (Herbert) des bisherigen Turniers in der ersten Halbzeit konterte das Team eindrucksvoll – mit viel Einsatz nach der Pause und rekordverdächtigen 19 verwandelten Dreipunktewürfen. Der vierte Sieg gibt Deutschland zusätzliche Zuversicht, den Sprung in die Endrunde nach Manila zu schaffen und dort «was Großes mit nach Hause zu nehmen», wie Schröder den deutschen Fans bereits ankündigte.
«Spielen sehr erwachsen»
«Wir spielen sehr erwachsen. Wir haben viel Charakter. Deshalb stehen wir jetzt da, wo wir stehen», sagte Johannes Thiemann. Die starke zweite Reihe mit Thiemann (elf Punkte), Maodo Lo (18) und Moritz Wagner (14) liefert bei der WM ab – und könnte noch wichtiger werden, wenn Schröder und Wagner angeschlagen sind oder sogar ausfallen.
Das Ticket für das Viertelfinale ist aber auch nach vier Siegen nicht gelöst. Deutschland kann allerdings nur noch in einem komplizierten Dreiervergleich mit Slowenien und Australien ausscheiden. Gelingt am Sonntag zum Abschluss der Spiele in Japan gegen die Slowenen der fünfte Erfolg am Stück, ist auch der Gruppensieg perfekt. In Manila würde es für das Team von Bundestrainer Gordon Herbert nicht nur um WM-Medaillen gehen, sondern auch um die direkte Qualifikation für Olympia 2024 in Paris.
Seit der verkorksten WM 2019 scheint sich das von Schröder (16 Punkte) angeführte Team unentwegt zu steigern. Das Olympia-Viertelfinale 2021 war der Anfang, es folgte Bronze bei der Heim-EM – nun scheint angesichts des reifen Auftretens und des tiefen Kaders auch eine WM-Medaille greifbar. Es wäre die erste seit 2002, damals mit Dirk Nowitzki. «Wir sind zusammengewachsen. Gordie (Herbert) macht einen sehr, sehr guten Job. Er macht klar, was gefordert ist. Das hilft dem Team ungemein. Wir sind alle ein paar Jahre älter geworden», beschrieb Thiemann.
Erneut Startschwierigkeiten
Vor 5852 Zuschauern hatte das deutsche Team ähnliche Startschwierigkeiten wie beim letztlich souveränen 101:75 über Finnland. Die erste Fünf funktionierte zunächst nicht wie gewünscht, weil Schröder erneut in enge Deckung genommen wurde und Andreas Obst sowie Co-Kapitän Johannes Voigtmann zum Start wenig Impulse beisteuern konnten. Für Franz Wagner kam ein Einsatz wiederum zu früh, sein Comeback nach dann über einer Woche Spielpause erfolgt frühestens am Sonntag.
Als Herbert im Verlauf des ersten Viertels die komplette zweite Reihe ins Spiel brachte, wurde es deutlich besser. Moritz Wagner und Thiemann lieferten unter dem Korb Energie und Rebounds, die gegen die georgischen Türme Goga Bitadze (2,11 Meter) und Giorgi Schermadini (2,17 Meter) dringend benötigt wurden. Der sonst für seine starke Defensive und Athletik bekannte Isaac Bonga wurde von der georgischen Defensive so vernachlässigt, dass er drei Dreipunktewürfe traf.
Bongas klare Steigerung bei der WM hilft dem deutschen Team vorübergehend, den Ausfall von Hoffnungsträger Wagner zu kompensieren. In der zweiten Halbzeit legte dann Dreierspezialist Obst los und ließ das deutsche Team davonziehen. Auch die Defensive steigerte sich merklich. «In der zweiten Halbzeit haben wir es geschafft, aufzudrehen und wieder richtig guten Team-Basketball zu spielen», sagte Bonga.