Fast regungslos verharrte Florian Wellbrock im Becken, während seine Konkurrenten neben ihm ihre Medaillen feierten. Der 23-Jährige pustete ein paar Mal durch und haderte mit seinem vierten Rang.
«An sich habe ich mich gut verkauft. Es ist halt nur der vierte Platz, der ärgerlich ist», sagte der Freistilschwimmer nach einem packenden Medaillenkampf bei der olympischen Premiere des 800-Meter-Rennens. Wellbrocks Zeit von 7:42,68 Minuten reichte nur knapp nicht zu Bronze und damit zum zweiten Edelmetall für die deutschen Beckenschwimmer in Tokio nach dem dritten Rang für Wellbrocks Verlobte Sarah Köhler am Vortag.
«Das heute war ja an sich nicht schlecht», stellte Wellbrock zurecht fest. «7,42 ist immer noch die zweitschnellste Zeit, die ein Deutscher jemals geschwommen ist.» Für ihn wäre es «wahrscheinlich schöner», wenn er damit Fünfter geworden wäre. Wellbrocks fulminante nationale Bestmarke von 7:41,77 Minuten aus dem Vorlauf hätte nun zu Gold gereicht. So fehlten 35 Hundertstelsekunden auf Bronze.
Amerikaner Finke siegt
Am Tag des letzten Rennens auf der ganz großen Bühne von Lagenschwimmer Philip Heintz und eines Staffel-Weltrekords sicherte sich etwas überraschend der Amerikaner Robert Finke den Olympiasieg in Wellbrocks Rennen. Der 21-Jährige legte einen beeindruckenden Schlussspurt hin. Silber holte Gregorio Paltrinieri aus Italien, Bronze der Ukrainer Michailo Romantschuk.
Paltrinieri, der in der Vorbereitung an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt war, ging das Rennen schnell an und lag lange in Führung. Wellbrock holte jedoch auf und ging als Erster auf die letzten 50 Meter. Neben dem Becken konnte Bundestrainer Bernd Berkhahn längst nicht mehr sitzen bleiben.
«Normalerweise müsste ich den Paltrinieri auf den letzten 50 im Griff haben, das hatte ich heute nicht, was das Ganze noch ein bisschen ärgerlicher macht», sagte Wellbrock über seinen Konkurrenten, mit dem er sich regelmäßig austauscht. Er habe vielleicht ein «Tickchen zu doll» oder «ein Tickchen zu früh» das Tempo erhöht, sagte Wellbrock und vermutete dies als «Knackpunkt». Rang vier «schmerzt natürlich».
Keine Resignation
Zwei Jahre nach seinem historischen Doppel-Erfolg bei der WM 2019 in Südkorea, als Wellbrock binnen weniger Tage Gold im Freiwasser über zehn Kilometer und über 1500 Meter Freistil gewann, gelang ihm zwar nicht der erhoffte Japan-Start. Doch der gebürtige Bremer war bei aller Enttäuschung von Resignation weit entfernt. Mit einem weißen Handtuch über der Schulter hatte er es eilig, zum Ausschwimmen zu kommen. Wellbrock versuchte, das Positive zu sehen.
Über die 800 Meter Freistil war er bei der triumphalen WM in Gwangju noch im Vorlauf ausgeschieden – diesmal schaffte es Wellbrock souverän ins Finale. Er habe gezeigt, «dass nach einem nicht so guten Rennen die 1500 noch immer sehr, sehr gut werden können», sagte er in Erinnerung daran. «Da muss ich dann noch mal alles reinwerfen.» Über die längste olympische Beckendistanz und im Freiwasser ist Wellbrock noch stärker einzuschätzen.
Olympia-Karriere von Heintz endet
Anders als für Wellbrock endete für Heintz die olympische Karriere an diesem Morgen im Tokyo Aquatics Centre. Der 30-Jährige schaffte es als 13. der Halbfinals in 1:58,13 Minuten nicht in den Endlauf. «Das ist jetzt definitiv das letzte Rennen für mich auf der großen Bühne gewesen», sagte der 30-Jährige und resümierte im Rückblick auf seine Karriere: «Es war sehr, sehr schön, ich würde es jederzeit wieder genauso machen.» Die deutschen Freistil-Frauen belegten über 4 x 200 Meter den sechsten Platz. Dem chinesischen Sieger-Quartett gelang in 7:40,33 Minuten ein Weltrekord.
Das gelang Caeleb Dressel bei seinem Sieg über 100 Meter Freistil nicht. Seine erste Einzel-Goldmedaille bei den Sommerspielen in olympischer Bestzeit von 1:47,02 Minuten feierte der 24-Jährige dennoch ausgelassen mit nach oben gereckten Fingern auf der Leine im Becken. Über 200 Meter Brust gewann der Australier Izaac Stubblety-Cook Gold, über 200 Meter Schmetterling bei den Frauen siegte die Chinesin Zhang Yufei.