Ski-Spektakel am Matterhorn mit Startschwierigkeiten

Mit einer erwarteten Geschwindigkeit von 135 Kilometern pro Stunde werden sich die alpinen Ski-Stars die «Gran Becca» hinunterstürzen. Die neue Abfahrt am Matterhorn soll ein einziges Spektakel werden. Der Start auf rund 3800 Metern ist der höchste im Weltcup. Die Strecke über 3,7 Kilometer von Zermatt in der Schweiz nach Cervinia in Italien ist die erste, die durch gleich zwei Länder führt.

Doch das neue Prestige-Projekt des Skiweltverbands Fis startet nicht nur ein Jahr später als geplant, sondern auch begleitet von gewaltigen Diskussionen. Ums Klima, um Nachhaltigkeit, um den Rennkalender – es geht wieder mal um Vieles, aber – wie inzwischen so oft – kaum noch um den Sport selbst. Womöglich machen der erwartete Neuschnee und Wind den Veranstaltern bis zum Wochenende ohnehin noch einen Strich durch die Rechnung. Vorige Saison fiel die Premiere aus, weil zu wenig Schnee fiel. Eine erneute Absage wäre PR-technisch gesehen ein Fiasko.

Wolfgang Maier, der Alpinchef des Deutschen Skiverbands (DSV), lässt vor den für Samstag und Sonntag geplanten Herren-Rennen durchblicken, dass er sich jetzt erst mal auf sein Kerngeschäft konzentrieren möchte. Die immer und immer wiederkehrenden Fragen zu den Begleitumständen kommen früher oder später sowieso. Nicht wenige Protagonisten der alpinen Ski-Szene fühlen sich längst als Spielball – zwischen Klimaaktivisten, Naturschützern, Politikern, Tourismusverbänden und nicht zuletzt dem eigenen Weltverband geht es hin und her. Die Gletscher schmelzen und der Wintersport gerät zunehmend unter das Brennglas.

Umstrittene Baggerarbeiten

Die neuen Rennen am Matterhorn würden zeigen, dass bei der heimischen Regierung «die touristische Entwicklung weiterhin Vorrang vor dem Erhalt unserer Umwelt hat, wie im 20. Jahrhundert», beklagten die Grünen des Kantons Wallis kürzlich. Bilder von Baggerarbeiten auf dem Theodulgletscher hatten für Empörung gesorgt. Greenpeace Schweiz und andere Naturschutzorganisationen äußerten den Verdacht, dass die Arbeiten teils außerhalb der zugelassenen Sportzone stattfinden. Die Baukommission des Kantons stoppte die Arbeiten.

Ein kleiner Teil der ursprünglich geplanten Piste lag außerhalb der für den Skisport erlaubten Zone. Die Veranstalter korrigierten die Streckenführung und entschuldigten sich. «Wenn wir uns da minimal neben der Grenze bewegt haben, dann – noch mal – wir entschuldigen uns, es war nie unsere Absicht», sagte Organisationschef Franz Julen im Schweizer Fernsehen.

Für Julen ist die Matterhorn-Abfahrt «eines der nachhaltigsten Skirennen überhaupt». 95 Prozent der Pistenfläche würden bereits bestehen, argumentiert er. Es werde überwiegend auf Gletschern und Naturschnee gefahren. Und für den benötigten Kunstschnee gebe es schon bestehende Anlagen. «Wenn man vergleicht, was heute auf der Welt mit dem Klima alles passiert, dann nehmen wir drei große Maschinen, präparieren drei Wochen einen Gletscher», erklärt Julen. Wenn man das in Relation setze «mit dem sozialen und dem wirtschaftlichen Faktor, die dazu gehören», so findet er, «ist diese Arbeit zu verantworten.»

Skitourismus soll angekurbelt werden

Doch auch der Termin der Rennen ist umstritten. Eine Woche nach den Herren sind die Damen dran. Warum schon im November und nicht erst im Spätwinter, fragen sich viele. In Zermatt selbst scheint man an einer Verlegung des Events allerdings genauso wenig interessiert wie in Sölden, wo die Saison am letzten Oktober-Wochenende eröffnet wurde. In beiden Regionen soll mithilfe der Weltcup-Rennen der Skitourismus angekurbelt werden.

Ob DSV-Alpinchef Maier oder Deutschlands Top-Abfahrer Thomas Dreßen: Kaum einer von denen, um die es eigentlich geht, hätte etwas dagegen, würde die Saison später beginnen. Selbst Fis-Präsident Johan Eliasch plädierte kürzlich überraschend dafür, den Auftakt in Sölden noch weiter nach hinten zu verschieben. Was im aktuellen Kalender wegen der neuen Matterhorn-Rennen aber eben gar nicht geht. Die Lage ist verzwickt. Und der Sport weiter Nebensache.

Von Christoph Lother und Manuel Schwarz, dpa