Eine dünne weiße Schneeschicht sorgte am Donnerstag zumindest kurzzeitig für ein bisschen winterliches Flair, doch die Austragung der Biathlon-WM in Nove Mesto ist ein Kraftakt.
Temperaturen teilweise deutlich über dem Gefrierpunkt, Dauerregen und Sturm erschwerten die Vorbereitung und warfen schon am ersten Wettkampftag einmal mehr die Frage auf: Wie lange ist professioneller Wintersport in Mitteleuropa fern alpiner Regionen überhaupt noch möglich, wenn es selbst Anfang Februar keine verlässliche Kälte und Schnee mehr gibt?
«Ich mache mir natürlich Sorgen um die Zukunft unserer Sportart», sagte Julia Simon. Die Französin hatte gerade ihre Goldmedaille für den Sieg mit der Mixed-Staffel überreicht bekommen. Dafür war sie in tiefem Kunstschnee bei unerbittlichem Regen am Mittwoch durch die Loipe in den tschechischen Wäldern gestapft. «Es ist nicht leicht, das zu sehen und es passiert auch immer öfter und schneller», sagte die 27-Jährige zu den Veränderungen durch den voranschreitenden Klimawandel. Weltcups standen zuletzt mehrfach auf der Kippe, Strecken auch in Deutschland oder Frankreich wurden mit großem Aufwand hergerichtet. Schon 2016 kam es wetterbedingt zu einer kompletten Absage in Oberhof.
Kein Schnee per Lastwagen mehr
«Wir müssen über die Zukunft nachdenken, wie wir da noch Biathlon betreiben können», sagte Gesamtweltcupsiegerin Simon: «Wir haben Glück, dass die IBU nach Lösungen sucht.» Bei eben jenem Weltverband spielen die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel eine große Rolle, auch der ökologische Fußabdruck der Ausrichter wird berücksichtigt. Die nächsten Jahre werden herausfordernd, denn die Klimakrise sorgt an vielen Orten absehbar dafür, dass es weniger Schnee und immer kürzere Kältephasen gibt. So wurde in Frankreich Ende 2022 notgedrungen Schnee per Lastwagen angeliefert, um das Event zu retten. Solche Szenarien sollen künftig unbedingt verhindert werden.
Was also tun? Beim Weltverband wird ein Biathlon-Kalender der Zukunft diskutiert. Bis zur Saison 2025/2026 steht das Programm fest, erst in der Periode bis 2030 wird es wohl erste Anpassungen geben. Eine Revolution sei aber selbst dann weiterhin nicht zu erwarten, ist zu hören. Denn die Interessen aller Ausrichter zu berücksichtigen, ist mühsam. Es geht unter anderem um Hotel-Kapazitäten, aber eben auch um viele Eitelkeiten. Ob die Länge der Saison verändert wird, neue Regionen erschlossen werden müssen oder Ausrichter ihren Weltcup-Status verlieren werden, ist offen.
Debatte um neuen Termin für Oberhof-Weltcup
Auch in Deutschland gibt es Überlegungen. Der Deutsche Skiverband (DSV) stößt eine Debatte über den zukünftigen Kalender an und wünscht sich einen Termin für die Rennen in Oberhof später im Januar und nicht direkt nach Silvester. «Wichtig ist, dass wir am Schluss eine Lösung finden, die sicherstellt, dass am jeweiligen Ort die bestmöglichen Bedingungen sind», sagte Stefan Schwarzbach, Vorstand Kommunikation beim DSV. Dass Deutschland auch ab dem Winter 2026/2027 beide Weltcups in Thüringen und dem bayerischen Ruhpolding behalten will, steht außer Frage.
«Die Gebiete, in denen es Schneesicherheit gibt, werden weniger», hatte Klimaforscher Werner Aeschbach vom Institut für Umweltphysik in Heidelberg der Deutschen Presse-Agentur schon im Vorjahr gesagt: «In 2000 Metern wird es aber immer noch viel Schnee geben. Unter 1000 Meter gibt es diese Sicherheit aber eben mittelfristig nicht mehr.»
Lösen Skiroller die richtigen Ski ab?
Zu sehen ist das auch in Nove Mesto, das auf knapp 600 Metern über dem Meeresspiegel liegt. Nur dank eines großen Schneedepots, das vielerorts Standard ist, ist die Durchführung der Weltmeisterschaft trotz deutlicher Plusgrade möglich. 20.000 Kubikmeter Kunstschnee wurden auf die Loipen aufgetragen, weitere 50.000 Kubikmeter stehen für die noch elf verbleibenden Rennen bis zum 18. Februar zur Verfügung. Am Wochenende soll es nicht viel kälter als fünf Grad werden, weiterer Regen ist vorhergesagt. «Das größtmögliche Lob gilt den Organisatoren, dass sie unter diesen Bedingungen Wettkämpfe auf WM-Niveau veranstalten», sagte IBU-Mediendirektor Christian Winkler der dpa.
Bei der kommenden WM 2025 in Lenzerheide/Schweiz und bei den Olympischen Winterspielen ein Jahr später in Antholz/Italien geht es deutlich über 1200 Meter ins Hochgebirge, das Schneesicherheit verspricht. Nach der ersten Weltmeisterschaft 2027 in Estland ist noch nicht klar, wer die nächsten Titelkämpfe ausrichtet.
Zur Realität gehört aufgrund des Schneemangels längst das Training auf Skirollern. In warmen Monaten gibt es schon Weltmeisterschaften im Sommer-Biathlon auf dem kompakten Ski-Ersatz. Dass dieser irgendwann die gewachsten Bretter auch im Winter ablöst, scheint derzeit noch weit weg. Immerhin hätten die Skijägerinnen und Skijäger aber eine – sicher gewöhnungsbedürftige – Zukunft ohne Schnee, die es beispielsweise im alpinen Skirennsport oder anderen Disziplinen so nicht gibt.