Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Auch nicht für eine Fußball-EM ohne gewalttätige Hooligans, Terror oder Cyberattacken. Aber die deutschen Sicherheitskräfte sind hoch sensibilisiert, wie die Festnahme eines mutmaßlichen Terrorunterstützers am Flughafen Köln/Bonn belegt.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul bestätigte dpa-Informationen, wonach sich der Mann als Ordner für Nebenveranstaltungen außerhalb der Stadien beworben haben soll, also etwa für Public Viewings.
«Wir haben alle diejenigen, die in diesen Bereichen Sicherheit und Ordnung arbeiten werden, überprüft, weil sie eine Akkreditierung brauchen. Und bei der Akkreditierung ist aufgefallen, dass dieser junge Mann ein Problem darstellen könnte. Und deswegen kümmern wir uns jetzt sorgfältig um ihn, aber da gab es keine konkreten Anschlagsplanungen», äußerte Reul (CDU).
Die Ermittler werfen dem Mann mit deutsch-marokkanisch-polnischer Staatsangehörigkeit vor, im September 2023 über eine Kryptowährungsbörse insgesamt fast 1700 US-Dollar auf ein Konto der Terrorgruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) übermittelt zu haben.
Wenn die deutsche Nationalmannschaft am Freitag um 21.00 Uhr die EM-Festwochen gegen Schottland eröffnet, steigt nicht nur bei der DFB-Elf der Nervenkitzel. Auch die Sicherheitskräfte, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und UEFA-Präsident Aleksander Ceferin stehen einen Monat lang unter Hochspannung. «Mehr und mehr Gewalt. Mehr und mehr Aggression. Die Weltlage ist nicht ideal», sagte Ceferin in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Fast jeder Zweite hat Sorge vor Terror
Die Polizei ist nach der Eskalation im Nahen Osten, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und nicht zuletzt nach dem Attentat in Mannheim hoch sensibilisiert. Die Sicherheitslage ist angespannt», gestand Faeser. Das gelte für den Cyberbereich ebenso wie für den Islamismus und andere Bereiche. Es gebe aber keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge während der EM.
Fast die Hälfte der Bevölkerung sorgt sich, dass es im Rahmen des Turniers vom 14. Juni bis 14. Juli in Deutschland zu Terroranschlägen kommen könnte. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov zusammen mit dem Sinus-Institut veröffentlicht hatte. Demnach sind 12 Prozent der Befragten voll und ganz besorgt sowie 35 Prozent eher besorgt. 24 Prozent seien eher nicht besorgt, 12 Prozent überhaupt nicht besorgt. 16 Prozent der Befragten hatten keine Meinung oder machten keine Angaben.
Anschläge auf weiche Ziele wahrscheinlicher
Der IS-Anschlag in Paris während Spiels zwischen der deutschen und französischen Fußball-Nationalmannschaft 2015 oder jener auf schwedische Fußballfans in Brüssel im vergangenen Jahr zeigen, dass Sorgen grundsätzlich nicht unberechtigt sind. Anschläge auf solch weiche Ziele im öffentlichen Raum wie Stadienzufahrten oder Public Viewings seien wahrscheinlicher, da die Absicherung großer Menschenmassen hier schwieriger sei, sagte Terrorexperte Johannes Saal der dpa.
Seit Jahren wappnen sich die Sicherheitsbehörden daher für alle denkbaren Gefahren, damit die rund 2,7 Millionen Fans in den Stadien und bis zu 12 Millionen Besucher auf den Fanmeilen die EM genießen können. «Natürlich durch die ganze Lage, die Veränderung in den letzten Jahren, sogar in den letzten Wochen muss immer eine Anpassung vonstattengehen. Das passiert aber», berichtete Turnierleiter Philipp Lahm und äußerte weiter: «Ich vertraue unseren Sicherheitsbehörden, aber natürlich zu 100 Prozent Sicherheit, das wird es in der heutigen Zeit nicht geben».
Eine Party, viele Unbekannte
In einem neu aufgebauten Lagezentrum der Polizei in Nordrhein-Westfalen wird die Sicherheitslage während der EM gesteuert. Über 600 Beamte aus dem In- und Ausland arbeiten in dem «International Police Cooperation Center» in Neuss.
Über den Arenen gelten etwa Flugbeschränkungen. Während des Turniers werden rund 350 ausländische Polizeikräfte in Deutschland eingesetzt. «An allen Spielorten und überall, wo sich viele Menschen bewegen, gilt: Die Polizei wird hohe Präsenz zeigen. Die Bundespolizei wird die deutschen Grenzen, Flughäfen und den Bahnverkehr schützen, wo sich Nationalmannschaften und Fans bewegen», kündigte Faeser an. Nach der Messerattacke in Mannheim, bei der ein 25-jähriger Afghane einen Polizisten tödlich verletzt hatte, stehen auch potenzielle Einzeltäter im Fokus.
Die außen- und innenpolitische Lage ist schwierig. Faeser rät den Menschen dennoch, das Turnier zu genießen. «Freut euch auf das Turnier. Geht hin», appellierte die Ministerin im Deutschlandfunk. Die große Fußball-Party kann also beginnen. Auch wenn nicht klar ist, wer alles kommt.