Jetzt soll es weiter sprudeln. «Wir haben die Flasche Cava aufgemacht. Nun ist es Zeit, die nächste zu öffnen», betonte Trainer Luis Enrique. Berauschender Fußball, endlich, sagten sich die Fans. «Zeit zu träumen», schrieb die Sportzeitung «As».
«So!», stand riesig auf der ersten Seite der «Marca» – Spaniens Fußball-Nationalmannschaft ist bei ihrem letzten Auftritt in der Heimat bei dieser Europameisterschaft angekommen: im Turnier, in den Herzen der Anhänger, auf der Liste der ernstzunehmenden Titelkandidaten.
Achtelfinale gegen Vizeweltmeister
Luis Enriques vor dem 5:0 gegen überforderte Slowaken bemühte Metapher von der Flasche spanischen Schaumweins, die nur mal geöffnet werden muss, damit es sprudelt – sie soll weiter gelten. Der nächste Korken soll gegen Kroatien am Montag in Kopenhagen knallen. «Der Vizeweltmeister, ein schwerer Gegner», sagte allerdings Spaniens Kapitän Sergio Busquets, nachdem er die Fassung wiedergewonnen hatte und die Tränen der Ergriffenheit nach seiner Rückkehr auf den Platz nach der Corona-Pause mit Isolation daheim in Barcelona getrocknet waren.
«Das wird ein schweres Spiel, aber in der Runde der besten 16 kannst du auch nicht mit leichten Spielen rechnen. In der Situation, in der wir sind, kann man sich den Gegner auch nicht aussuchen», betonte Luis Enrique, der sich und seiner Mannschaft nach dem Cava-Fußball mit dem höchsten EM-Sieg einer spanischen «Seleccion» ein Bier genehmigte.
Bevor es aber auf die Rückreise ins EM-Quartier bei Madrid ging und die untergehende Sonne ein passend warm-rötliches Licht auf das Estadio La Cartuja warf, genossen Spieler und Trainer, was geschehen war an jenem Mittwochabend in Andalusien. Der ein oder andere kam noch mal auf den zuvor so oft kritisierten Rasen zurück, der die Spanier nach den eher rumpeligen Remis gegen Schweden (0:0) und Polen (1:1) diesmal nicht von einer Tor-Fiesta abhielt, und tollte mit seinen Kids, die mitunter nicht viel größer waren als der Ball. Standesgemäß allesamt in roten Trikots der «Furia Roja». Der roten Furie, die diesmal auch furios spielte und nach einer sich anbahnenden Entfremdung der Fans die fußballerische Umarmung folgen ließ. «Wir haben diese Partie auch für uns gebraucht, um die Fans wieder träumen zu lassen und das Vertrauen wiederherzustellen», sagte Pablo Sarabia.
Slowakische Slapstick-Einlage
Den Angreifer von Paris Saint-Germain bot Luis Enrique zum ersten Mal in seinem traditionellen Dreier-Angriff auf. Dani Olmo, zuvor beide Male von Beginn an dabei, musste dafür raus. Und Sarabia brachte, was Spanien brauchte. Der «Diario de Sevilla» feierte den 29-Jährigen als den «inspirierendsten» Stürmer und titelte insgesamt: «Ein Segen, Spanien erzielt viele Tore.»
Die unfreiwillige Unterstützung durch das slowakische Slapstick-Eigentor von Torwart Martin Dubravka lockerte den Cava-Korken. Nach dem zweiten Tor war die Flasche offen, und nach dem dritten sei es nur noch ein Schaulaufen der Spanier gewesen, konstatierte der slowakische Coach Stefan Tarkovic. Er entschuldigte sich bei den Fans nach dem «grausamsten Spiel» seiner Karriere. Für die Zeitung «Pravda» hinterließen die Spanier «einen schwarzen Flecken» bei den slowakischen EM-Fußballern, die nun nur noch EM-Zuschauer sind.
Für Spanien soll die Reise bei der ersten EM in elf Ländern noch lange weitergehen, auch wenn Trainer Luis Enrique mahnend betont: «Schritt für Schritt.» Seine Erleichterung konnte und wollte aber auch der zuvor kritisierte und infrage gestellte 51-Jährige nach diesem Sieg nicht verbergen. «Er ist ein Zeichen dafür, dass die Ergebnisse kommen, wenn wir so spielen, wie wir spielen.»
Es war ein Sieg der Bestätigung. Der aber genauso schnell zum Muster ohne Wert verfallen kann, wenn das spanische Passspektakel gegen Kroatien mit dem im Land bestens bekannten und auch gefürchteten Ex-Weltfußballer Luka Modric von Real Madrid ohne Tore endet und mit dem K.o. im ersten K.o.-Spiel. Die Fußball-Fiesta gegen die Slowaken sei aber «zur rechten Zeit» gekommen, betonte Luis Enrique: «Wir haben große Lust auf Montag.»