Vor den Finaltagen der Fußball-Europameisterschaft hat die europäische Gesundheitsbehörde ECDC einen erheblichen Anstieg der Corona-Infektionen im Zusammenhang mit der EM festgestellt.
Bis zum Ende der dritten Turnierwoche habe es mehr als 2500 Fälle in sieben Ländern gegeben, die sich mit der EM in Verbindung bringen ließen, bestätigte die EU-Agentur auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die Entwicklung sei angesichts der Corona-Lage «nicht unerwartet», sagte die zuständige Direktorin Vicky Lefevre. Großveranstaltungen mit Menschenmassen seien weiter mit Risiken behaftet.
Um die Austragung der EM während der Pandemie und die Zulassung tausender Zuschauer in den elf Spielorten war vor allem in Deutschland heftig debattiert worden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Haltung der Europäischen Fußball-Union (UEFA) als «absolut verantwortungslos» bezeichnet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich im Hinblick auf die Zulassung von 60.000 Fans bei Halbfinals und Endspiel im Londoner Wembley-Stadion «sorgenvoll und skeptisch».
Schottland am stärksten betroffen
Bei den in Zusammenhang mit der EM bisher registrierten Infektionen ist Schottland nach Angaben des ECDC mit 1991 Fällen am weitaus stärksten betroffen. Die schottische Mannschaft trug ihre EM-Gruppenspiele in Glasgow und im Londoner Wembley-Stadion aus. In Großbritannien breitet sich die als ansteckender geltende Delta-Variante des Virus stark aus. ECDC-Direktorin Lefevre wies darauf hin, dass die Delta-Variante noch nicht «auf der Bildfläche» gewesen sei, als die Planungen für die EM-Spiele mit Zehntausenden Zuschauern festgezurrt worden waren.
In Finnland seien in Verbindung mit dem Fußballturnier zuletzt 436 Fälle registriert worden, vor allem nachdem Finnlands Team in St. Petersburg spielte und Fans offensichtlich das Virus aus Russland mitbrachten. Einige Fälle wurden auch aus Dänemark, Frankreich, Schweden, Kroatien und den Niederlanden gemeldet. In Deutschland sind demnach keine Corona-Infektionen direkt im EM-Zusammenhang festgestellt worden.
Nicht sicher ist, wo sich die betroffenen Fans angesteckt haben. Dies könne sowohl in Stadien als auch in Fanzonen, bei der Reise wie auch bei privaten Treffen im Umfeld der Spiele passiert sein, erklärten die ECDC-Experten. Durch das Reisen von Fans zu EM-Spielen in Länder mit höheren Infektionszahlen könnten die Rückkehrer die Verbreitung des Virus in ihrer Heimat beschleunigen, warnte die Behörde erneut.
Zuvor hatte auch der Europadirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Hans Kluge, an alle Menschen appelliert, die nun Fußballspiele besuchen wollen oder eine Urlaubsreise planen, die Risiken genau abzuwägen und sich zu schützen. «Ja natürlich, wir sind eindeutig besorgt», sagte er mit Blick auf das EM-Turnier.
Letztlich sei es aber eine «politische Entscheidung, welches Risiko man bereit ist zu tolerieren», sagte ECDC-Direktorin Lefevre. Die Länder hätten in der Zeit der Pandemie gelernt, auf welche Indikatoren sie bei der Entwicklung des Infektionsgeschehens achten müssten. «Wir sind immer noch in der Situation, wo wir sagen, wenn ihr weiter deutlich lockert, dann kommen wir wieder in eine Lage wie im Herbst 2020», mahnte Lefevre.
Für das ECDC prüfen täglich mindestens zwei Experten das Infektionsgeschehen rund um die Fußball-EM. Die Untersuchungen begannen eine Woche vor Turnierbeginn und enden eine Woche nach dem Endspiel an diesem Sonntag.