Stolz folgt auf Ärger: Köhler fliegt «mit lachenden Augen»

Sarah Köhler freute sich nach turbulenten Tokio-Tagen mit Bronze-Jubel und 800-Meter-Frust auf zu Hause.

In der Nacht zum Sonntag noch ihren Verlobten Florian Wellbrock im Tokio Aquatics Centre anfeuern, tags darauf zurück in die Heimat fliegen – so lautete das Olympia-Abschiedsprogramm für die erste deutsche Medaillengewinnerin bei Sommerspielen im Beckenschwimmen seit Britta Steffen vor 13 Jahren. «Gerade ist die Enttäuschung natürlich groß, aber nichtsdestotrotz fahre ich hier mit 90 Prozent lachenden Augen weg», sagte Köhler nach ihrem siebten Platz über 800 Meter Freistil.

Bis es soweit ist, wird Köhler allerdings noch ein wenig hadern. Die Chance auf einen zweiten Auftritt auf dem Podium vor der blauen Wand mit den weißen olympischen Ringen war einfach zu groß. «Natürlich ist ein Wermutstropfen da, weil es jetzt eine geschenkte Medaille gewesen wäre, wenn ich die Zeit aus dem Vorlauf einfach noch einmal geschwommen wäre», sagte die 27-Jährige.

Gold für US-Superstar

In der Interviewzone war ihr der Ärger kurz nach dem Rennen anzusehen – und noch deutlicher die Ratlosigkeit. In 8:24,56 Minuten blieb Köhler mehr als acht Sekunden über ihrem deutschen Rekord. Mit ihrer Vorlaufzeit von 8:17,33 Minuten hätte sie Bronze geholt. «Die Endzeit ist natürlich mehr als eine Enttäuschung für mich», sagte Köhler drei Tage nach Platz drei über die erstmals bei den Frauen bei Olympia ausgetragenen 1500 Meter Freistil. «Ich bin von Anfang an nicht mitgekommen», räumte sie ein.

Gold gewann die favorisierte Amerikanerin Katie Ledecky. Es war ihr insgesamt siebter Olympiasieg. Sie triumphierte vor der zweimaligen Tokio-Gold-Gewinnerin Ariarne Titmus aus Australien. Bronze ging an die 1500-Meter-Weltmeisterin Simona Quadarella aus Italien.

Einen Tag vor dem großen Finale von Doppel-Weltmeister Wellbrock über 1500 Meter Freistil lag dessen Partnerin schon recht früh deutlich zurück. «Spätestens so nach 600 Metern habe ich gemerkt, dass ich da nicht mehr rankomme», sagte Köhler. Wellbrock stand mit verschränkten Armen und weißer Corona-Schutzmaske auf der Tribüne und fieberte mit. Ansonsten waren für den 23-Jährigen am Samstag zwei Schwimm-Einheiten und eine Besprechung der Renntaktik angesagt.

«Es war offensichtlich ein konditionelles Problem», sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn über Köhlers Leistung. Die anstrengenden bisherigen Rennen, der Rummel nach Bronze: «Es war letztlich ein bisschen viel, um hier noch einmal abliefern zu können.» Trotz aller logischen Erklärungen stellte Berkhahn aber auch fest: «Es war nicht zu erwarten, dass sie so eine schlechte Leistung bringt.»

Köhler durchbrach deutsche Negativserie

Bei der Bewertung der Gesamtleistung überwog auch beim Magdeburger Coach das Positive. «Sie hatte eigentlich die größte Chance, über 1500 Meter die Medaille zu machen – und die hat sie genutzt. Großartig.» Die Chance auf Edelmetall auf der zweitlängsten olympischen Beckendistanz sei «überhaupt nicht abzusehen» gewesen. «Ich bin mit ihr zufrieden.»

Köhler erfüllte sich in Tokio einen «Kindheitstraum» und trug sich in die deutschen Schwimm-Geschichtsbücher ein, weil sie die Negativserie von zwei Olympia-Nullnummern in Rio de Janeiro 2016 und London 2012 beendete. Die Hessin, die im Sommer 2018 in die starke Trainingsgruppe nach Magdeburg wechselte, hat ihre Leistungsgrenze nach Aussage ihres Trainers noch nicht erreicht. Die Olympischen Spiele in Paris in drei Jahren will sie «auf jeden Fall» noch in Angriff nehmen.

In Tokio sorgten am Samstag international zwei Weltrekorde für Glanz in der riesigen und nur spärlich mit Teammitgliedern besetzten Schwimmhalle. Über 100 Meter Schmetterling siegte der Amerikaner Caeleb Dressel in der Weltrekordzeit von 49,45 Sekunden vor dem Ungarn Kristof Milak und holte seine dritte Tokio-Goldmedaille. Rund eine Stunde später verfehlte Dressel die vierte mit der 4 x 100 Meter Mixed-Lagenstaffel auf Rang fünf deutlich. Großbritannien um Brustschwimm-Wunder Adam Peaty siegte in 3:37,58 Minuten und stellte damit eine Weltbestmarke auf. Über 200 Meter Rücken holte sich Kaylee McKeown aus Australien Gold.

Von Thomas Eßer, Christian Kunz und Wolfgang Müller, dpa