Die Zeit von Barbara Rittner als Gesicht des deutschen Damen-Tennis ist vorbei. Die ehemalige Weltklassespielerin Andrea Petkovic sieht sich ohnehin selbst nicht als Kandidatin für die Nachfolge, Damen-Teamchef Rainer Schüttler würde offenbar nicht passen.
Die sich hinziehende Suche nach einer neuen Führungskraft verstärkt die Tristesse im deutschen Damen-Tennis mit dem noch immer ausbleibenden Generationswechsel.
Nach fast zwei Jahrzehnten trennte sich der Deutsche Tennis Bund (DTB) im Februar von Damen-Chefin Rittner. Wie es weitergeht, ist offen. Eine Nachfolgelösung wird der Verband offensichtlich auch nicht bis zu den French Open Ende Mai präsentieren.
«Wir führen Gespräche», sagte DTB-Vorstand Veronika Rücker, die im Verband die Verantwortung für den Spitzensport trägt, der Deutschen Presse-Agentur: «Für uns war von Beginn an klar, dass der Prozess für die Besetzung einer so wichtigen Position seine Zeit braucht. Wir haben bis zum Schluss mit Barbara intensiv verhandelt und uns nicht vorher nach einer alternativen Lösung umgeschaut.»
Gewaltige Aufgaben für Nachfolger oder Nachfolgerin
Mit wem der Verband verhandelt, wie groß der Kandidatenkreis ist oder wie nah der DTB vor einer Entscheidung steht – dazu hält er sich bedeckt. Für das zweite Grand-Slam-Turnier der Saison in Paris habe der DTB eine «Lösung im Auge», die gerade final intern abgestimmt werde, sagte Rücker: «Wir werden die Grand Slams aus unserem Trainer-Pool abdecken.» Natürlich sei dem Verband bewusst, dass die Nachbesetzung «zeitnah» erfolgen müsse: «Es ist natürlich klar, dass nicht alle Trainer oder Trainerinnen, die infrage kommen, auch ad hoc verfügbar sind.» Gesucht werde im In- und Ausland.
Die künftigen Aufgaben dürften gewaltig sein. Momentan zieht die dreimalige Grand-Slam-Turniersiegerin Angelique Kerber (36) wieder das größte Interesse bei den deutschen Damen auf sich. Am 12./13. April wird sie ihr Comeback nach ihrer Babypause beim Billie Jean King Cup in Brasilien für den DTB geben. Deutsche Nummer eins ist Tatjana Maria (Weltranglisten-46./36 Jahre). Unter den Top 100 stehen ansonsten nur Tamara Korpatsch (76./28) und Laura Siegemund (89./36). Für die Zukunft des deutschen Damen-Tennis stehen sie nicht.
Eher schon Jule Niemeier (24), Wimbledon-Überraschungsviertelfinalistin von 2022, die sich aber aus einem schweren Tief herausarbeiten muss. Eva Lys (22) stellt eine rheumatische Autoimmunerkrankung vor eine zusätzliche Herausforderung. Für eine mögliche «neue sehr, sehr gute Generation» hält die zurückgetretene Petkovic Ella Seidel (19), Noma Noha Akugue (20) und Nastasja Schunk (20). Sie gibt zu bedenken, dass es nicht mehr so viele Talente seien wie früher. «Wenn ein paar wegfallen, dann haben wir halt keine mehr», sagte sie.
Gerade angesichts dieser Tristesse liegen die Ziele des DTB noch in weiter Ferne. Bis 2032 sollen «acht bis zehn Spielerinnen und acht bis zehn Spieler in den Top 100» stehen. Die Zahl der nachrückenden jungen Spielerinnen und Spieler in den Top 400 (Damen) und Top 500 (Herren) soll deutlich steigen. «Die Ziele sind ambitioniert, keine Frage. Aber als weltgrößter Tennisverband muss das auch unser Anspruch sein», sagte Rücker. «Wir haben viele Stellschrauben identifiziert, die wir verändern wollen. Aber für die Umsetzung braucht es zusätzliche finanzielle Mittel. Hier versuchen wir, Ansätze für Lösungen zu entwickeln.»
Neues Profil «leitgebend»
Basis ist ein neues Leistungssportkonzept. Darin wurde unter anderem das Profil des Chefbundestrainers oder der Chefbundestrainerin nachgeschärft, das nun «leitgebend» für die Suche sei. Ein Punkt, den Rittner nicht erfüllte, ist die exklusive Tätigkeit für den Verband. «Uns ist es wichtig, dass es an keiner Stelle zu Interessenkonflikten kommt», sagte Rücker: «Es geht nicht darum, Kritik an der bisherigen Lösung zu üben. Ich glaube, es ist nachvollziehbar, dass wir einen Chefbundestrainer bei allen vier Grand Slams brauchen, der sowohl in der Quali als auch im Hauptfeld 24/7 vor Ort ist.»
Rittner, Turnierdirektorin in Berlin, ist bei den Grand Slams auch regelmäßig als TV-Expertin im Einsatz. Schüttler, seit mehreren Jahren Kapitän der Billie-Jean-King-Cup-Auswahl, arbeitet für das ATP-Turnier in Genf – und käme damit wohl nicht für die Nachfolge infrage. Schüttler sei «ohne Zweifel ein ausgewiesener Fachmann und starker Kapitän» der deutschen Auswahl, sagte Rücker: «Da wir aber in einem laufenden Prozess sind, werden wir aus Respekt vor den Kandidaten keine Namen kommentieren.»
Petkovic, die sich als Mentorin für den Nachwuchs im DTB engagiert, hatte kürzlich bei Sky gesagt, die Rittner-Nachfolge nicht zu übernehmen. Den Abschied ihrer langjährigen Wegbegleiterin bezeichnete sie als «Riesenverlust». «Um diese Erfahrung von Barbara ersetzen zu können, wird es viele, viele Monate und vielleicht sogar Jahre dauern, glaube ich. Aber es ist nicht unmöglich. Es ist nur ein sehr langwieriger Prozess», sagte Petkovic.