Szene in Wimbledon-Frage gespalten – Djokovic für Mittelweg

Der Ausschluss russischer Tennisprofis von Wimbledon und der Verzicht auf Weltranglisten-Punkte beim diesjährigen Rasenklassiker spaltet die Tennisszene.

Bei den derzeit laufenden French Open in Paris dreht sich in den ersten Tagen vieles um das nächste Grand-Slam-Turnier Ende Juni. Vor allem die Entscheidung von ATP und WTA, in Wimbledon keine Punkte für das Ranking zu vergeben, stößt bei vielen auf Unverständnis. «Ich denke, es war eine falsche Entscheidung», sagte Djokovic in Paris nach seinem Erstrundensieg bei den French Open.

Djokovic: «Lose-Lose-Situation»

Der Weltranglisten-Erste ist von der Regelung ganz besonders betroffen, weil er als Titelverteidiger nun 2000 Punkte und sehr wahrscheinlich auch seinen ersten Platz in der Weltrangliste verliert. Er sei aber froh, dass die ATP und die Spieler den Machern von Wimbledon deutlich gemacht hätten, dass ihre Entscheidung zum Ausschluss von Profis aus Russland und Belarus falsch gewesen sei. Djokovic und andere Stars hatten den Ausschluss bereits kritisiert.

Gleichwohl hätte sich der 35 Jahre alte Serbe eine andere Regelung gewünscht. «Ich denke, die ATP hätte auch einen Mittelweg finden können. Sie hätten die Punkte für dieses Jahr streichen, vom letzten Jahr aber einfrieren können», sagte Djokovic. So sei es auch während der Coronavirus-Pandemie gehandhabt worden. Allerdings sei die gesamte Konstellation für alle Seiten sehr komplex. «Es ist eine Lose-Lose-Situation», sagte die Nummer eins der Welt.

Das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen

Die Herren-Organisation ATP und die Damen-Organisation WTA hatten am Freitag entschieden, dass es beim Tennisklassiker in diesem Jahr keine Punkte für die jeweiligen Weltranglisten geben wird. Grund dafür ist der Ausschluss der Profis aus Russland und Belarus durch die Veranstalter in Wimbledon wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Bleiben ATP und WTA bei ihrer Entscheidung, keine Punkte zu vergeben, könnte es zu der kuriosen Situation kommen, dass in Daniil Medwedew ausgerechnet ein russischer Spieler am meisten davon profitiert, indem er Djokovic als Nummer eins der Welt ablöst. «Das wäre in der Tat komisch», sagte Medwedew am Dienstag nach seinem Sieg in der ersten Paris-Runde. «Wenn es keine Punkte gibt, und ich werde die Nummer eins, gut für mich. Wenn es Punkte gibt und ich kann nicht Nummer eins werden, wäre ich angepisst», sagte der Russe. «Ich habe aber keinen Einfluss auf die jeweiligen Entscheidungen.»

Hinter den Kulissen laufen bei den Beteiligten heiße Diskussionen – das letzte Wort scheint noch lange nicht gesprochen. Die ehemalige Weltranglisten-Erste Naomi Osaka hat für den Fall, dass es beim Verzicht auf Punkte bleibt, bereits angedeutet, nicht in Wimbledon spielen zu wollen. «Ich spiele schon, um die Aussicht zu haben, mich im Ranking zu verbessern», sagte die Japanerin. Auch weitere Profis scheinen über einen Startverzicht nachzudenken, der Wimbledon 2022 endgültig zu einer Art Showevent machen würde.

«99 Prozent der Spieler wollen, dass Punkte vergeben werden und das Turnier so ist, wie zuvor», sagte der stets meinungsstarke Franzose Benoit Paire. «Also möchte ich wissen, ob die ATP die Spieler oder Russland verteidigen möchte.» Der Russe Andrei Rubljow geht davon aus, dass die Stars der Branche dennoch in Wimbledon dabei sind. «Sie spielen nicht für Geld oder Punkte, sondern für die Historie», sagte Rubljow. Andrea Petkovic hatte bereits angekündigt, dabei sein zu wollen. «Es könnte mein letztes Wimbledon sein, das würde ich nicht missen wollen», sagte die Darmstädterin. Sie könne aber Profis verstehen, die auf das Turnier verzichten würden.

Von Lars Reinefeld, dpa