«Tabula rasa» oder Absturz? – Der Abstieg und die Folgen

Schmerzhaft wird es so oder so. Ein Abstieg «tut halt weh», wie Sportdirektor Rachid Azzouzi von der SpVgg Greuther Fürth nach dem besiegelten Gang in die Zweitklassigkeit sagte.

Mindestens ein weiterer Club wird dem Tabellenletzten aus der Fußball-Bundesliga nach unten folgen. Vor allem millionenschwere finanzielle Einbußen und meist auch ein sportlicher Substanzverlust sind die kurzfristigen Folgen. Langfristig kann der sportliche Fall für die Vereine aber sogar positive Effekte haben – oder aber zum Totalabsturz führen.

Direktes Duell zwischen Bielefeld und Hertha

Am 32. Spieltag kämpft der Vorletzte Arminia Bielefeld vor dem direkten Duell ebenso wie der 15. Hertha BSC noch gegen den direkten Abstieg. Auch der VfB Stuttgart auf Rang 16 muss vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr/Sky) kräftig zittern.

Egal, wen es am Ende erwischt, eins ist klar: In der 2. Liga sinken die Einnahmen und damit sinkt auch der Etat. Bei der Arminia würde er sich Schätzungen zufolge halbieren, beim VfB schrumpfte dieser nach dem Abstieg 2019 um ein Drittel. «Durch die niedrigeren Fernseheinnahmen sinkt der Umsatz um eine zweistellige Millionensumme», sagte der VfB-Vorstandschef Alexander Wehrle der Deutschen Presse-Agentur. Erschwert wird die wirtschaftliche Situation durch die Einbußen in Folge der Corona-Krise. Drastische Einbrüche bei den Zuschauerzahlen erwarten die betroffenen Clubs in der Zweitklassigkeit dagegen nicht.

Abstieg sorgt für unabsehbare Folgen

Aus personeller Sicht folgt auf einen Abstieg in den meisten Fällen ein Umbruch. Bei den Fürthern gehen Coach Stefan Leitl und mehrere Stammspieler, in Stuttgart gilt ein Abgang von Borna Sosa als äußerst wahrscheinlich, auch Sasa Kalajdzic und Orel Mangala gehören zu den begehrten Leistungsträgern. Die Arminia verliert Patrick Wimmer an den VfL Wolfsburg – dies ist jedoch ähnlich wie beim VfB und in Fürth Teil der Strategie, attraktiv für junge Talente zu sein damit auch Transfererlöse zu generieren. «Das wird der Weg sein», sagte Bielefelds Sport-Geschäftsführer Samir Arabi unabhängig von der Liga.

Etwas anders ist die Lage bei der Hertha. 375 Millionen Euro hat Investor Lars Windhorst in den Club gepumpt, doch dieses Geld ist inzwischen weitgehend weg. Der Verein stecke «letztlich in einem Teufelskreis aus hohen Erwartungen, öffentlichen Störgeräuschen, sportlich enttäuschten Hoffnungen und vielen personellen Wechseln», sagte Geschäftsführer Fredi Bobic, der zuletzt vor allem teure Spieler verleihen oder verkaufen musste. Ein Abstieg würde den nötigen Umbruch beschleunigen, aber vermutlich auch erschweren. Viel wird für die Berliner davon abhängen, wie der Konflikt zwischen Vereinspräsident Werner Gegenbauer und Investor Lars Windhorst endet – und ob Windhorst nach der Saison nochmals frisches Geld zuschießt.

Direkte Rückkehr das Ziel, aber nicht planbar

Doch auch mit günstigen Startvoraussetzungen ist die direkte Rückkehr in die Bundesliga keinesfalls garantiert. Von 101 Absteigern in die eingleisige 2. Liga stiegen in der Historie 34 sofort wieder auf, sechs rutschten sogar sofort noch weiter ab in die Drittklassigkeit. Traditionsclubs wie der 1. FC Kaiserslautern oder der MSV Duisburg mussten auch schon ums Überleben kämpfen, auch für die Arminia ging es zwischenzeitlich dreimal runter bis in Liga drei. Andere langjährige Erstligisten wie der Hamburger SV oder Hannover 96 mühen sich seit Jahren vergeblich an der Hürde Wiederaufstieg.

Dass es auch anders geht, zeigen in diesem Jahr Werder Bremen und der FC Schalke 04. Auf den bitteren Abstieg nach vielen Jahren Bundesliga folgte für die beiden Traditionsclubs trotz einiger Rückschläge eine sportlich erfolgreiche Saison – an deren Ende nun die Rückkehr in Liga eins stehen könnte. Schalke ist es sogar gelungen, sich finanziell zumindest etwas zu stabilisieren. «Wir wollen sportlich zurück in die Bundesliga. Wir wollen auf der Basis von soliden Finanzen handlungsfähig sein», sagte Vorstandschef Bernd Schröder.

Neben der finanziellen Stabilität ist aus Sicht von Ökonom Henning Zülch auch die personelle Neuausrichtung ein Faktor für den Erfolg. «Wenn man den Abstieg nutzt, um «Tabula rasa» zu machen und sich in wichtigen Positionen neu aufzustellen, kann ein Neustart gelingen», sagte der Experte der Leipzig Graduate School of Management der «Märkischen Allgemeinen» zu den möglichen Perspektiven der Hertha im Falle eines Abstiegs. «Wenn nicht, könnte Hertha ein neues Hannover 96 werden und über Jahre strategielos in der 2. Liga herumdümpeln.»

Von Miriam Schmidt und den dpa-Korrespondenten