Tedescos Premiere mit Belgien auf der EM-Bühne

Tedescos Premiere mit Belgien auf der EM-Bühne

2017 noch im Abstiegskampf der 2. Fußball-Bundesliga, 2024 gelobt von Fußball-Star Kevin De Bruyne: Domenico Tedesco hat über die vergangenen sieben Jahre einen bemerkenswerten Aufstieg hinter sich – und steht nun vor seiner bisher wohl größten Prüfung als Trainer.

«Er ist sehr offen in seiner Kommunikation. Bisher hat er einen wirklich guten Job gemacht», sagt De Bruyne über den 38-Jährigen, der mit dem Nationalteam Belgiens erstmals ein Spiel auf der großen EM-Bühne coachen wird.

Wie bei seinem Vorgänger Roberto Martinez werde aber alles am Abschneiden bei der EM gemessen, kommentiert De Bruyne. Das gilt auch für den Auftakt, bei dem die Belgier am Montag (18.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) in Frankfurt auf Außenseiter Slowakei treffen. Alles andere als ein Sieg wäre eine Enttäuschung.

«Breit aufgestellt»

Seit Februar 2023 steht Tedesco für die Roten Teufel an der Seitenlinie. «Ich finde, wir haben viele spannende Spieler, besonders junge Talente, die in den vergangenen Monaten einen großen Schritt nach vorn gemacht haben und zu größeren Vereinen gewechselt sind. Die Mannschaft ist breit aufgestellt», sagt Tedesco.

Den Weg von Erzgebirge Aue zum belgischen Cheftrainer meisterte Tedesco innerhalb von acht Jahren. Zwischendurch trainierte der Deutsch-Italiener unter anderem den FC Schalke und RB Leipzig in der Bundesliga. In seiner Laufbahn ging es bislang rasant bergauf – und so soll es weitergehen.

Verletzungssorgen in der Abwehr vor Auftaktspiel

Das Potenzial und die Struktur habe ihm gefallen, erklärt Tedesco der «Süddeutschen Zeitung», warum er den Job angenommen hat. «Und Belgien ist einfach eine Fußballnation, mit einer sehr spannenden Liga und einer tollen Nachwuchsarbeit im Verband und in den Vereinen.»

Vor dem Auftakt gehen Tedesco allerdings die Verteidiger aus. Gleich vier Defensivspieler waren in den vergangenen Tagen angeschlagen, darunter auch der frühere Bundesliga-Profi Axel Witsel.

Unabhängig von den Verletzungssorgen dürften die Erfolgserwartungen nicht mehr so groß sein wie bei den vergangenen Turnieren. Jahrelang galt Belgien als Geheimfavorit. Ansatzweise wurde die Mannschaft dieser Rolle auch gerecht – wie bei der Weltmeisterschaft 2018, als das Team Dritter wurde. Der ganz große Erfolg blieb aber aus. Tiefpunkt war das Aus in der Gruppenphase bei der WM in Katar 2022.

Dennoch habe man unter Tedescos Vorgänger Roberto Martínez Dinge geschafft, die Belgien nie zuvor erreicht habe, sagt De Bruyne. «Deshalb lastete auf Tedesco enormer Druck.» Mit dem Druck in der Qualifikation ging Tedesco gut um. Wie schon für die vergangenen Turniere qualifizierten sich die Belgier auch für die EM in Deutschland souverän.

Favorit nur in der Gruppe

Und trotzdem zählen die Roten Teufel in diesem Sommer nicht zum allerengsten Kreis der Titelanwärter. In der eher schwach besetzten Gruppe E mit Auftaktgegner Slowakei sowie der Ukraine und Rumänien sind sie aber trotzdem der Favorit. «Wenn wir über unsere Chancen bei diesem Turnier sprechen, müssen wir erst mal im ersten Spiel einen guten Start erwischen», betont De Bruyne.

Die Auswahl befindet sich im Umbruch. Aus der einst als «Goldenen Generation» gepriesenen Mannschaft sind mittlerweile einige Spieler nicht mehr dabei – wie Dribbelkünstler Eden Hazard, der inzwischen sogar seine Karriere beendet hat, oder Torwart Thibaut Courtois vom Champions-League-Sieger Real Madrid.

Der Umgang von Tedesco mit Courtois zeigt: Der Coach scheut sich nicht vor Auseinandersetzungen mit großen Namen. Im Juni des vergangenen Jahres hatte es einen Zwist zwischen beiden gegeben – Medienberichten zufolge soll Courtois verärgert darüber gewesen sein, dass Tedesco ihn nicht zum Kapitän der Auswahl in einem EM-Qualifikationsspiel gemacht hatte. Seitdem herrscht Eiszeit. «Zu dem Thema ist von beiden Seiten alles gesagt. Thibaut hat frühzeitig erklärt, dass er nach seiner langen Verletzungspause die EM nicht spielen kann. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Jungs, die da sind.»

Von Christian Johner, dpa