Tokio-Klima: Ruder-Ass Zeidler trickst für Gold

Der erste Starter der deutschen Ruder-Flotte will auch am letzten Wettkampftag als Erster ganz oben stehen.

«Es ist in Tokio wie bei jedem Rennen: Wenn ich hinfahre, möchte ich auch gewinnen», lautet das Credo von Einer-Ruderer Oliver Zeidler, der seine erste Party eigentlich schon vorab in Tokio hätte. Der 2,03 Meter große Athlet aus Ingolstadt feiert am Samstag seinen 25. Geburtstag.

«Ich werde mich voll auf meinen Wettkampf konzentrieren, der Geburtstag wird da ziemlich untergehen», sagte Zeidler nach seinem gelungenen Auftakt. Das erste Kräftemessen auf der olympischen Regattastrecke im Sea Forest Waterway war eindrucksvoll. Zeidler fuhr als Erster des sechsten Vorlaufes sicher mit einem Start-Ziel-Sieg ins Viertelfinale. «Das erste Rennen lief ganz gut, so wie ich es mir vorgestellt habe. Es war wichtig reinzukommen, um das Ganze hier mal starten zu lassen, von der Anstrengung war es schon sehr überschaubar bei mir», sagte Zeidler, dessen «einzige Überraschung war, dass der Ägypter irgendwie meine Bahn gekreuzt hat auf den letzten 300 Metern. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet.»

Überrascht haben ihn zudem die klimatischen Bedingungen. «Da hatte ich hier schon mehr erwartet. In der Vorbereitung waren die Bedingungen deutlich schlimmer. Da dachte ich, es wird heavy hier», ergänzte Zeidler, der auf den letzten Metern deutlich sichtbar das Tempo rausnahm. Sonst wäre er auch wie sein norwegischer Dauerkontrahent Kjetil Borch, der 6:54,46 Minuten fuhr, unter der Sieben-Minuten-Marke geblieben. So stoppte die Uhr bei 7:00,40 Minuten. Auch wenn die Zeiten im Vorlauf sekundär sind, sendete auch der Grieche Stefanos Ntouskos in 6:59,49 Minuten ein Warnsignal.

Tokio-Hitze daheim nachgestellt

Warum Zeidler die Temperaturen um 30 Grad Celsius gut verkraftete, lag vor allem an seiner akribischen Vorbereitung. Nach der Verschiebung der Sommerspiele hatte der Weltmeister vom Donau-Ruder-Club Ingolstadt im Haus seiner Eltern in München sogar eine Hitzekammer simuliert. Der ehemalige Schwimmer schaltete die Sauna ein, drehte die Dusche auf und sorgte mit reichlich Folie für japanisches Klima in Bayern, während er Ausdauereinheiten auf dem Ruderergometer oder dem Fahrrad absolvierte.

Jetzt ist er in Bestform. «Mir hat das zusätzliche Jahr geholfen. Ich habe an vielen Stellschrauben gedreht und würde deswegen sagen, dass die Version dieses Jahr von mir besser ist als die im letzten Jahr.» Zeidler 2.0 peilt eine Medaille an, am liebsten Gold.

Trotz der Hitze-Vorbereitung plagte ihn die extreme Sonne. «Das Schlimmste, was ich hier empfinde, ist die Sonneneinstrahlung. Das merkt man schon, dass nach 40 Minuten draußen die Beine ein bisschen labbrig werden und dass es schon schlaucht», betonte Zeidler, der im Boot mit nach hinten gedrehtem weißen Basecap fuhr.

Starker Konkurrent aus Norwegen

«Das Feld im Männer-Einer ist auf jeden Fall sehr eng beisammen, da bin ich gespannt», sagte Ralf Holtmeyer, für den die Olympischen Spiele die letzte Regatta als leitender Bundestrainer sind.

In Tokio wird es wohl wieder ein Dauerduell zwischen Zeidler und Borch. Der Norweger sorgte bei der EM in Posen im vergangenen Oktober für den ersten Rückschlag bei Senkrechtstarter Zeidler. Nach Foto-Finish musste sich der Deutsche mit Rang vier hinter Borch begnügen. Die Renntaktik damals: die Flucht nach vorn. Bei 1500 Metern lag er noch vorn, musste seinem hohen Tempo am Ende aber Tribut zollen. Davor hatte es beim Weltcupfinale in Zagreb mit einem Start-Ziel-Sieg geklappt. Zeidlers Erkenntnis: «Wenn man vorne ist, ist es immer schwierig, es zu halten. Da ist das Jagen leichter.»

Starke Frauen im Doppelvierer

Der Doppelvierer der Frauen fuhr mit einem souveränen Vorlaufsieg direkt ins Finale. Die Crew Frieda Hämmerling (Kiel), Franziska Kampmann (Waltrop), Carlotta Nwajide (Hannover) und Daniela Schultze (Potsdam) setzte sich mit 1,14 Sekunden Vorsprung gegen die Niederlande und Großbritannien durch.

Der Doppelvierer der Männer hingegen landete mit Max Appel (Magdeburg), Hans Gruhne (Potsdam), Tim Ole Naske (Hamburg) und Karl Schulze (Berlin) nur auf Rang vier und hatte im Vorlauf auf die siegreichen Polen 10,86 Sekunden Rückstand. Damit muss das Boot in den Hoffnungslauf.

Menzel mit Problemen bei der Hitze

Der Frauen-Doppelzweier Annekatrin Thiele/Leonie Menzel ist Letzter im Vorlauf geworden und muss in den Hoffnungslauf. Die Düsseldorferin Menzel hatte dabei am Ende Probleme und konnte nicht mehr mit voller Kraft rudern.

Die 22-Jährige wurde nach dem Rennen mit einem Rollstuhl in ein nahe liegendes Funktionsgebäude gefahren, saß aber wenig später mit einer Kühlweste schon wieder auf einem Ergometer. Die Temperaturen um die Mittagszeit lagen in Tokio bei knapp über 30 Grad. «Das ist immer sehr individuell, das kann jedem mal passieren, auch denen, die die Hitze eigentlich gut ertragen», sagte ihr Teamkollege Marc Weber, der im Doppelzweier mit Stephan Krüger ebenfalls Vorlauf-Vierter wurde.

Menzels Trainer Thomas Affelt gab kurze Zeit später Entwarnung. «Es war eine Kombination aus Anstrengung und Hitze, denn es war ein harter Bord-an-Bord-Kampf. Der Kreislauf war immer stabil, es ist halt so, dass die Sportler an ihre Grenzen gehen, wenn es drauf ankommt», sagte er. Ein Schwächeanfall sei es nicht gewesen, «aber irgendwann macht die Muskulatur zu», Menzel habe sich ganz gut erholt. «Das Ziel bleibt das Halbfinale», betonte Affelt vor dem nächsten Rennen am Samstag.

Der Doppelzweier der Männer muss ebenfalls in die Hoffnungsrunde. Marc Weber (Gießen) und Stephan Krüger (Frankfurt/Main) wurden Vorlauf-Vierte.

Von Frank Kastner, dpa