«Tränen sind für die Ewigkeit» Frankreich-Frust nach WM-Aus

Der Schock über das WM-Aus saß bei Antoine Dupont so tief, dass Frankreichs Star die beim Rugby sonst so betont guten Manieren völlig egal waren.

«Ich will kein schlechter Verlierer sein, der sich nach einer Niederlage über den Schiedsrichter beschwert. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er der Herausforderung gewachsen war», sagte der beste Spieler der Welt.

Sein Frust war nach dem 28:29 gegen Titelverteidiger Südafrika im Viertelfinale natürlich nachvollziehbar. Nur drei Wochen nach seinem Oberkiefer- und Jochbeinbruch hatte sich Dupont in eine packende, hochklassige und atemraubende Schlacht gestürzt. Nach der überragenden Gruppenphase sollte es nur ein Zwischenstopp auf dem Weg ins Endspiel sein. Der Webb Ellis Cup sollte daheim bleiben, die Grande Nation erstmals Weltmeister werden. Doch nach dem Schlusspfiff im ausverkauften Stade de France waren da erst einmal nur Leere und Tränen. «Diese Tränen sind für die Ewigkeit», schrieb die Sporttageszeitung «L’Équipe».

Schiedsrichter im Fokus

Vor allem war da aber die Sache mit Schiedsrichter Ben O’Keeffe, die die Enttäuschung der Franzosen ins Unermessliche schießen ließ. «Der Frust ist groß und wir werden Bilder sehen, die ihn noch größer machen werden», meinte Dupont. Vor allem zwei Szenen nervten Les Bleus. In der 40. Minute prallte der Südafrikaner Eben Etzebeth bei der Verteidigung mit dem Kopf gegen den Kopf von Uini Antonio. Normalerweise ein Platzverweis, doch O’Keeffe beließ es bei einer zehnminütigen Zeitstrafe. Etzebeth kam zurück – und sein Versuch sorgte für die 26:25-Führung der Springboks.

Kurz darauf erhielt Südafrika einen durchaus diskutablen Straftritt und setzte den Spielstand auf 29:25. Zu viel für die Franzosen, ihnen gelang kein Versuch mehr. Der frühere französische Top-Referee Alexandre Ruiz verteidigte die Leistung von O’Keeffe. «Er ist über 80 Minuten konsequent bei seiner Linie geblieben. Er hat von der ersten Minute an viel und klar kommuniziert», sagte der 36-Jährige. Südafrikas Trainer Jacques Nienaber befand naturgemäß, «Ben hatte einen guten Tag».

Und die «L’Équipe» mühte sich redlich, den Kater bei den Franzosen nach dem sechswöchigen Rugby-Rausch nicht zu groß werden zu lassen. «Wenn ihr Kaffee heute morgen nach Essig schmeckt und das Gesicht sie nervt, dass sie beim Aufwachen sehen, schmeißen sie nicht gleich alles hin. Es ist nur eine harte Phase», war dort zu lesen. Aus Sicht des französischen Rugby währt diese Phase allerdings schon recht lang. Es war das dritte Mal nacheinander, dass bereits im Viertelfinale einer WM Schluss war. Dabei hatten im Schnitt 16,5 Millionen TV-Zuschauern mitgefiebert, das Übertragung des Spiels war die in diesem Jahr bisher am besten geschaute Sendung. 

Dupont machtlos

Und doch kam das Aus, was grotesk anmutet, denn Les Bleus haben anerkanntermaßen derzeit eine Mannschaft mit Weltklasse-Spielern in jeder Reihe. Allen voran Dupont. Doch der war machtlos, «die südafrikanische Maschine zum Entgleisen zu bringen», wie «Le Monde» analysierte. Frankreich lag in allen entscheidenden Statistiken vorn – bis auf den Endstand. Und so muss letztlich konstatiert werden, dass Südafrika schlichtweg cleverer war und so spielte, wie man es in einem WM-Viertelfinale tun muss. 

Die Hoffnungen der Europäer ruhen nun auf England, das neben Südafrika, Argentinien und Rekord-Weltmeister Neuseeland im Halbfinale steht. Am Samstag trifft das Team um den famos kickenden Verbinder Owen Farrell auf Südafrika. Es ist die Neuauflage des Finals von 2019, in dem England chancenlos war. Angesichts der bisherigen Leistungen bei dieser WM geht Südafrika als klarer Favorit in das Spiel. Für England kann das ein gutes Omen sein, denn vor vier Jahren oblag ihnen diese Rolle.

Von Tom Bachmann und Michael Evers, dpa