Die Frohnatur Christina Schwanitz wehrte sich nach ihrem traurigen Abschied von Olympia tapfer gegen die Tränen – bis sie auch diesen Kampf noch verlor.
«Ich bin aufgewühlt, sehr enttäuscht», schluchzte die 35 Jahre alte Sächsin nach ihrem Scheitern in der Kugelstoß-Qualifikation bei den Tokio-Spielen und seufzte: «Tja, so ist das eben.»
Der beste Stoß auf 18,08 Meter war deutlich zu wenig, um in den Medaillenkampf einzuziehen und für die Ex-Weltmeisterin vom LV 90 Erzgebirge einfach indiskutabel. Im Finale steht dagegen Sara Gambetta aus Halle/Saale mit 18,57 Meter.
«An meinem Kopf gescheitert»
«Dafür, dass es meine letzten Spielen waren, ist es enttäuschend, wenn man so vom Platz schleichen muss», sagte Schwanitz. «Ich habe es mir wesentlich anders vorgestellt.» Es sollte eine Auferstehung im Ring nach einer verkorksten Saison und ein Happy End mit der ihr noch fehlenden Olympia-Medaille werden: «Ich bin am großen Coup, an meinem Kopf gescheitert.»
Schon bei ihren drei Olympia-Teilnahmen zuvor gab es für die als Gute-Laune-Sportlerin bekannte Schwanitz nicht viel zu lachen und zu feiern. In Peking ging sie nach mehreren Fußoperationen nur als Elfte aus dem Ring. Vier Jahre später bereitete der rechte Arm Probleme und ließ sie die Kugel nur auf die zehnbeste Weite wuchten. 2016 in Rio brachte ihr auch der Bonus, als Weltmeisterin anzutreten, keinen nichts: Sie wurde enttäuschte Sechste.
Warum Schwanitz beim Saisonhöhepunkt nicht mal an ihre diesjährige Bestweite von 19,11 Meter heranreichte, hat nicht nur Fitnessgründe. «Ich habe die Leistungen im Training noch abgerufen, aber Trainings-Weltmeister gibt es viele», meinte die zweimalige Europameisterin und Weltmeisterin von 2015 selbstkritisch, die am Ende an der eigenen Erfolgserwartung scheiterte. «Es macht schon Druck, wenn man nach so einem Seuchenjahr hier herfährt und alle erwarten, weil ich die Alte bin und es selbstverständlich ist, dass ich eine Qualifikation nicht verhaue», sagte Schwanitz, betonte aber auch: «Jetzt geht es weiter in meinem Leben.»
Verletzungen und Schicksalsschläge
In diesem Jahr war bei Schwanitz der Wurm drin. Anfang März erlitt sie bei der Hallen-EM in Torun einen Bandscheibenvorfall im Nackenbereich und nach dem Diamond-League-Meeting Ende Mai im englischen Gateshead musste sie nach der Rückkehr in Quarantäne. Zudem belasteten sie in der Olympia-Vorbereitung zwei Todesfälle im privaten Umfeld. «Entweder steht man da drüber und nimmt das mit oder man geht daran kaputt», sagte Schwanitz vor ihrem Olympia-Auftritt im Interview mit der «Heilbronner Stimme».
Der Wille und Ehrgeiz, zum vierten Mal bei Sommerspielen dabei zu sein, hat die Mutter von Zwillingen angetrieben und nicht aufgeben lassen. Dass es ihr gelingt, die vier Kilogramm schwere Eisenkugel noch einmal an die 20-Meter-Marke und in den Medaillenbereich zu wuchten, das war nach ihrer Vorleistung von 18,63 Meter und dem Weltbestenlistenplatz 25 nicht zu erwarten. Zumal sie zuletzt 2016 die 20-Meter-Barriere knacken konnte.
Trotz der großen olympischen Enttäuschung denkt Schwanitz noch nicht an einen endgültige Abschied vom Ring und ihrer immer noch glühende Liebe für das Kugelstoßen, zumal im nächsten Jahr die Heim-EM in München ansteht. «Der Körper macht es ja mit, nur im Moment gerade nicht», sagte sie und freute sich zumindest auf das Bier im olympischen Dorf: «Es kann auch mehr als ein Bier werden.»