Tuchel orakelt zu Trainer-Spekulation beim FC Bayern

Thomas Tuchel lächelte geheimnisvoll, als er wieder mit seinem für den Sommer beschlossenen Bayern-Ende konfrontiert wurde. Angesichts der neuesten Wendung in der Münchner Trainer-Suche war der Fußball-Lehrer gefragt worden, wie unverrückbar denn die Abmachung wirklich sei.

«Sie können jeden Vertrag gemeinschaftlich auflösen, das sehen sie ja», antwortete der 50-Jährige. «Ist immer alles möglich, aber die Antwort ist die gleiche: Die Vereinbarung steht und die Vereinbarung gibt’s.»

Auch wenn Tuchel damit vor dem Bundesliga-Spiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky und Sat.1) beim VfB Stuttgart vergnügt Interpretationsspielraum ließ: Für eine sensationelle Kehrtwende haben sich Trainer und Club nach der Entscheidung, die ursprünglich bis Sommer 2025 vereinbarte Zusammenarbeit schon in diesem Sommer zu beenden, viel zu klar positioniert.

Offener denn je ist dagegen, wer Tuchels Nachfolger wird. Kein Xabi Alonso, kein Julian Nagelsmann – und auch kein Ralf Rangnick. Ist der FC Bayern nicht mehr attraktiv genug?

«Nein. Das glaube ich nicht. Für mich war er attraktiv genug. Ansonsten würde ich es aktuell vorziehen, dazu zu schweigen. Ich bin ja noch aktuell Trainer», sagte Tuchel vor zwei «sehr attraktiven» Aufgaben in der Liga gegen den VfB und dann in der Königsklasse gegen Real Madrid. «Am Mittwoch wollen wir unser großes Ziel verwirklichen, in der Champions League ins Finale einzuziehen. Deswegen mache ich mir um die Zukunft von Bayern keine Sorgen.»

Schwierige Tage für Sportvorstand Eberl

Für eine erfolgreiche Zukunft des entthronten deutschen Meisters muss Sportvorstand Max Eberl nach nicht einmal zwei Monaten im Amt die knifflige Problematik lösen, wer denn nun der neue Trainer wird und das Münchner Starensemble ins Finale dahoam im Sommer 2025 führen soll. Von dem für den April erhofften «weißen Rauch» ist an den ersten Mai-Tagen immer noch nichts zu sehen – auch wenn Eberl die vertrackte Situation zu seinem Amtsantritt schon vorfand. Wortgewaltige Einlassungen von Uli Hoeneß, der den scheidenden Tuchel für dessen Nachwuchsförderung kritisierte, machen Eberls Suche vermutlich nicht leichter.

Solche Auftritte bekommen womöglich auch Nachfolge-Kandidaten mit. Zinédine Zidane (vereinslos), Roger Schmidt (Benfica Lissabon), Lucien Favre (vereinslos), Erik ten Hag (Manchester United), José Mourinho (vereinslos), Antonio Conte (vereinslos), Roberto De Zerbi (Brighton), Hansi Flick (vereinslos), Christian Streich (noch Freiburg, dann vereinslos), Martin Demichelis (River Plate), Mark van Bommel (Royal Antwerpen) oder gar der frühere Bundestrainer Joachim Löw (vereinslos) – die Liste mit verrückten Spekulationen wird jeden Tag um neue Namen länger.

Diese Spekulationen – da ist Tuchel überzeugt – hemmen seine Mannschaft aber nicht. Das Halbfinal-Rückspiel am Mittwoch gegen Real Madrid habe «ganz natürlich höchste Priorität», sagte Tuchel. Nach einem 2:2 im Hinspiel soll im Estadio Santiago Bernabéu der Einzug in das Finale am 1. Juni in London perfekt gemacht werden.

Zidanes Strahlkraft, van Gaals Jugendstil

Eberl muss daneben die Trainersuche schnellstens beenden. Ein Weltstar wie der Franzose Zidane mit seiner Strahlkraft wäre sicher eine prestigeträchtige Lösung, die die bislang missglückte Suche schnell vergessen machen könnte. Dazu müssten die Münchner allerdings in dieser Personalie ihre ursprüngliche Haltung ändern, denn Zidane genoss zumindest zunächst keine Priorität.

Der frühere Bayern-Trainer van Gaal wäre sicher ein guter Kandidat, der die wahrscheinlicher gewordene Variante einer Übergangssaison gestalten könnte. Zumal er ein Coach ist, der als Jugendförderer einst den Aufstieg von Thomas Müller maßgeblich ebnete. In einem Jahr könnte der Trainermarkt mit den aktuell nicht zu bekommenden Kandidaten Xabi Alonso (Bayer Leverkusen), Sebastian Hoeneß (VfB Stuttgart) oder Jürgen Klopp (Pause nach Liverpool) ganz anders aussehen.

Guardiola war der letzte

Nach dem hohen Trainerverschleiß in den vergangenen Jahren tun sich die Münchner schwer, einen neuen Coach zu finden. Dabei schaffte es der FC Bayern vor einem Jahrzehnt sogar, Startrainer Pep Guardiola an die Säbener Straße zu locken. Guardiola war im Jahr 2016 übrigens der letzte Coach, der – abgesehen vom ewigen Jupp Heynckes – bis zum vereinbarten Vertragsende blieb.

Von Christian Kunz und Manuel Schwarz, dpa