Trikots aus Plastikmüll, Solaranlagen auf Stadiondächern und Mehrwegbecher in der Kurve: Umweltschutz im deutschen Fußball liegt im Trend – und ist dringend notwendig.
«Der Fußball kommt in Sachen Umweltschutz aus der Steinzeit», sagte der Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Thomas Fischer. Dabei könne es sich längst keiner mehr leisten, den Umweltschutz nicht ernst zu nehmen.
Das scheint auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) angekommen zu sein. Seit dem vergangenen Jahr gibt es sogenannte Aktionsspieltage Klimaschutz. Kapitänsbinden mit Klima-Logo, Eckfahnen mit Warming Stripes und vegane Bratwürste sollen auf das Thema aufmerksam machen.
«Die Nachhaltigkeitswirkung der an einem Spieltag verkauften veganen Würste ist nicht riesig. Aber das wäre eine zu enge Sichtweise, besonders wenn man die Vorbildrolle des deutschen Leitsports Fußball bedenkt», sagte Stefan Schaltegger, Professor der Leuphana Universität in Lüneburg.
DFL mit Weiterbildungsprogramm
Der Forscher leitet ein von der Deutschen Fußball Liga (DFL) initiiertes Weiterbildungsprogramm zum Thema Nachhaltigkeitsmanagement. Dieses richtet sich an Mitarbeiter von Bundesliga-Clubs. Schließlich hat sich die DFL vorgenommen, die Bundesliga solle die nachhaltigste Liga der Welt werden.
Von der kommenden Saison an müssen die 36 Erst- und Zweitligisten im Lizenzierungsverfahren erstmals auch Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Die Vereine sollen unter anderem eine Nachhaltigkeitsstrategie und Umweltstrategie nachweisen können. Dazu gehören nach Angaben der DFL auch jährliche Messungen des Wasserverbrauchs, der Abwasserproduktion und des Energieverbrauchs sowie eine Mobilitäts- und Verkehrsanalyse.
Im Spitzenfußball ist das bisher einmalig. Laut DFL sollen die 117 Punkte laufend weiterentwickelt werden. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, müsse mit Sanktionen rechnen. Noch aber gibt es keine Konsequenzen für Nachzügler, monierte die Umwelthilfe.
Mangelnde Vorgaben zum Abfallmanagement
«Was komplett fehlt, sind ambitionierte Ziele und Zeiträume zu deren Erreichung», kritisierte Fischer. Die mangelnden Vorgaben zum Abfallmanagement seien entlarvend. Dass ausreichend Mülleimer vorhanden sein sollen, setze viel zu spät an und lasse die Entstehung unnötiger Müllberge außer Acht. «So wird man keine Umweltprobleme lösen.»
Das Fan-Netzwerk Zukunft Profifußball begrüßt die Bemühungen, hält die Kriterien aber für dürftig. «Dadurch werden die aktuellen Aktivitäten der Vereine und Verbände der Ernsthaftigkeit der Klimakrise nicht gerecht», sagte ein Sprecher. Vor dem Hintergrund, wie viel Geld im Fußball umgesetzt werde, sei das nur schwer nachzuvollziehen. Doch die Vorgaben seien als Einstiegskriterien zu verstehen, erklärte Schaltegger.
Einen Unterschied wollen die Clubs auch mit ihrer Kleidung machen. Die Sportartikelhersteller Nike und Puma teilten mit, für die Produktion von Trikots 100 Prozent recyceltes Polyester zu verwenden. Bei Adidas seien es etwas mehr als 90 Prozent – das Trikot des FC Bayern München bestehe aber schon jetzt ausschließlich aus recyceltem Polyester. Nach eigenen Angaben recycelt Nike jährlich rund eine Milliarde Plastikflaschen.
Einige Clubs als Umweltpioniere
Fanartikel seien neben Energie, Verkehr, Emissionen und Abfall eines der wichtigsten Umwelthandlungsfelder im Fußball, sagte Fischer. Einige Clubs seien damit bereits deutlich weiter als andere. «Der SC Freiburg, FC St. Pauli und SV Werder Bremen sind Umweltpioniere», lobte er.
Am Stadion des SC Freiburg seien die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und 3700 Fahrradstellplätze besonders hervorzuheben. Der Erstligist hat nach eigenen Angaben eines der weltweit größten Solardächer auf einem Fußballstadion. Der Strombedarf des Europa-Park-Stadions könne dadurch CO2-frei gedeckt werden.
Zweitligist St. Pauli wähle Dienstleister, Lieferanten und Partner danach aus, ob sie ökologisch und sozial fair agierten, sagte ein Vereinssprecher. Darüber hinaus sind die Hamburger nach eigenen Angaben der einzige Club in Deutschland, der sich selbst ausrüstet – mit nachhaltig und fair produzierter Trainingskleidung.
Erstligist Werder Bremen hat sich verpflichtet, bis 2040 klimaneutral zu werden. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um die Hälfte reduziert werden. «Das ist eine große Herausforderung, aber am Ende soll Netto-Null stehen», sagte Geschäftsführerin Nachhaltigkeit und Sport, Anne-Kathrin Laufmann. Bereits seit vielen Jahren gilt die Eintrittskarte für das Stadion als Ticket im Nahverkehr. Werder gibt nach eigenen Angaben rund 630.000 Euro pro Saison für diesen Service aus, der viel genutzt werde.
Studie zu Textilien
Unter anderem beim FC Schalke 04 stellten die Forscher indes fest, dass sich die Königsblauen «mit dem Thema Umweltschutz nach unserer Einschätzung schwertun», sagte Fischer. In einer Studie von 2021 analysierte die gemeinnützige Gesellschaft cum ratione die Textilien in Fanshops der 36 Proficlubs sowie die dahinterliegenden Lieferketten. Am schlechtesten schnitt der damalige Zweitligist Erzgebirge Aue ab. Schalke landete auf Platz 13.
«Ein Fußballverein kann nicht zu 100 Prozent klimaneutral arbeiten, ohne zu Kompensationsmaßnahmen zu greifen – das ist allein mit Blick auf die Spieltage, die Reisen und die Stadien nicht möglich», sagte eine Schalke-Sprecherin. Das Ziel des Erstligisten sei es deshalb, so nah wie möglich an die 100 Prozent zu kommen.
Zu diesem Zweck gebe es seit dem vergangenen Jahr eine eigene Abteilung, die sich ausschließlich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt. Einem Ranking der Tierrechtsorganisation Peta zufolge haben die Gelsenkirchener das vegan-freundlichste Stadion. Unterdessen stieg man in der Veltins-Arena zum Jahresbeginn als letzter Verein in der ersten Liga auf Mehrwegbecher um.
DFL mit Tour
Und wie geht es weiter? Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur will die DFL bis März dieses Jahres alle 36 Bundesliga-Clubs besuchen, um sich einen Eindruck von den Umweltschutzmaßnahmen zu verschaffen. Man befinde sich im stetigen Austausch.
Die Nachhaltigkeitskriterien, die bis zur Saison 2024/25 vollständig in Kraft treten sollen, werden bereits weiterentwickelt. Der Anfang ist gemacht. Der Ball liegt nun bei den Verbänden und Vereinen, die zeigen müssen, wie ernst sie es wirklich meinen.