«Unfassbar»: Kombiniererin Armbruster läuft zu WM-Silber

Nach ihrem Kraftakt hatte Nathalie Armbruster noch genug Energie, um WM-Silber ausgiebig zu feiern. Stolz zeigte die 17-jährige Kombiniererin den mitfiebernden Skispringerinnen um Weltmeisterin Katharina Althaus die Siegerfaust.

Im Interview war sie den Freudentränen nahe. «Es fühlt sich einfach nur unfassbar genial an», sagte sie und kündigte anders als Althaus, die sich tags zuvor auf ein Bier gefreut hatte, eine alkoholfreie Party an. «Ich trinke noch keinen Alkohol. Wir werden alle zusammensitzen und mit alkoholfreiem Sekt anstoßen», sagte Armbruster und lachte.

Armbruster bescherte dem deutschen Frauenteam das erste Edelmetall in der noch jungen Disziplin bei einer Weltmeisterschaft überhaupt. Sie musste sich am Freitag im slowenischen Planica nur Dauersiegerin Gyda Westvold Hansen aus Norwegen geschlagen geben. Dritte wurde die Japanerin Haruka Kasai.

Support vom eigenen Fanclub

Angefeuert von ihrem eigenen kleinen Fanclub mit Deutschland-Fahne bestätigte Armbruster ihre starken Saisonleistungen und feierte gleich in ihrem ersten richtigen Weltcup-Winter auch einen Erfolg auf der großen WM-Bühne. «Meine Eltern sind hier. Das bedeutet mir richtig viel», sagte Armbruster zur moralischen Unterstützung im Tal der Schanzen. «Ohne meine Familie wäre das nicht möglich, was ich heute geschafft habe.» Auch ihr Heimtrainer mit Familie und weitere Fans waren extra aus Baden-Württemberg angereist.

Armbruster tritt trotz ihres jungen Alters und ihres WM-Debüts in Slowenien locker und selbstbewusst auf. «Ich bewundere sie für die Leichtigkeit, wie sie das macht», sagte Jenny Nowak, die selbst mal die größte deutsche Hoffnungsträgerin war und Elfte wurde. «Sie ist ein fröhlicher Mensch und strahlt immer», beschrieb Zimmerkollegin Svenja Würth die Schwarzwälderin. «Sie nimmt kein Blatt vor den Mund.»

Das tut Armbruster tatsächlich nicht: Mit deutlichen Worten hatte sie die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees kritisiert, die Nordische Kombination der Frauen nicht ins Programm der Winterspiele 2026 aufzunehmen. «Ich denke, man hat heute wirklich gesehen, dass bei uns Frauen die Wettkämpfe genauso spannend sind wie bei den Männern», sagte sie. «Ich hoffe, dass wir jetzt noch ein paar Menschen für die Nordische Kombination begeistern können.»

Spagat zwischen Leistungssport und Schule

Die Elftklässlerin muss in ihrem Alltag den Spagat zwischen Leistungssport und Schule meistern. Bisher gelingt das der Musterschülerin super, dennoch sagte Armbruster: «Natürlich beeinflusst das Sportlerleben meine Schullaufbahn. Es ist eine unglaubliche Doppelbelastung. Elfte Klasse ist kein Kindergarten mehr, die Fehlzeiten werden immer mehr. Da muss ich doch einiges nachholen.»

Eine Art Public Viewing in der Schule, wo sie «an jeder Ecke» auf ihren Sport angesprochen werde, gebe es diesmal wegen der Ferien nicht. Mitgefiebert wurde in der Heimat aber trotzdem. Armbrusters Oma und Freunde waren am TV dabei. Die Skispringerinnen Selina Freitag mit Tröte in der Hand und Gold-Gewinnerin Althaus mit Sonnenbrille schauten vor Ort begeistert zu.

Sie sahen, wie der derzeit besten deutschen Allrounderin im Skispringen und Langlauf ein Satz auf 98 Meter gelang. Mit 20 Sekunden Rückstand auf Westvold Hansen ging Armbruster ins Rennen über fünf Kilometer. Dass die Norwegerin nicht mehr einzuholen war, wusste Armbruster bereits nach dem Springen. In keiner Sportart bei dieser WM dominiert eine Athletin oder ein Athlet so deutlich wie in der Nordischen Kombination der Frauen. Am Freitag steckte Westvold Hansen sogar einen Sturz im Langlaufrennen weg.

Sie hatte bereits die WM-Premiere ihrer Disziplin vor zwei Jahren in Oberstdorf gewonnen. In den vergangenen 17 Weltcup-Rennen siegte die 20-Jährige nur einmal nicht – nach einem Sturz in Schonach vor knapp einem Jahr. An jenem Weltcup-Wochenende im Schwarzwald hatte Armbruster zum Abschluss der vergangenen Saison ihr Weltcup-Debüt gegeben. Hätte ihr damals jemand eine solche Karriere und WM-Platz zwei keine zwölf Monate später vorhergesagt, «hätte ich demjenigen den Vogel gezeigt und gesagt: „Ach, du spinnst doch“», sagte Armbruster. «Ich hätte das niemals für möglich gehalten.»

Thomas Eßer und Patrick Reichardt, dpa