Ungeliebte Sieger: RB gewinnt den Pokal, Freiburg die Herzen

Die Fußball-Helden wurden von Tausenden frenetisch gefeiert. Die Leipziger Pokalsieger auf dem Rathausplatz und der Festwiese, der unterlegene SC Freiburg am Freiburger Stadttheater.

Nach einer Partynacht im Berliner Nachtclub «Pearl» wurde das siegreiche Team von Trainer Domenico Tedesco von den Fans begrüßt, ehe sich alle Angestellten von RB Leipzig im Goldenen Buch der Stadt eintrugen. Nach dem Elfmeterkrimi im DFB-Pokal-Finale waren die meisten kaum zur Ruhe gekommen. Auch in Freiburg gab es am Abend einen bewegenden Empfang für die unterlegenen SC-Spieler und deren Kult-Trainer Christian Streich.

«Ich bin überglücklich», sagte Tedesco nach dem ersten großen Titel der Leipziger in ihrer erst 13-jährigen Clubhistorie. Der Coach verspürte auch «Erleichterung». Wegen seiner Entstehungsgeschichte mit Geldgeber Red Bull im Rücken hatte der Fußball-Bundesligist insbesondere in den Tagen vor dem Finale wieder viel Kritik aus der aktiven Fanszene einstecken müssen. Nicht wenige Fans bundesweit hätten die Sachsen nach den verlorenen Pokal-Endspielen 2019 und 2021 gerne ein weiteres Mal scheitern gesehen. Trotz langer Unterzahl und dank großer Mentalität schnappte sich RB diesmal aber den Pott.

Gratulationen halten sich in Grenzen

Die Gratulationen aus der Liga hielten sich anschließend in Grenzen. Vom Vorstandschef des FC Bayern München, Oliver Kahn, gab es eine. «Wir sehen uns im Supercup!», schrieb er bei Twitter. Von einer Person auf der Freiburger Bank habe ihm nach dem Platzverweis während des Spiels kurzzeitig sogar «purer Hass» entgegen geschlagen, erzählte Tedesco.

Mit 4:2 gewannen die Leipziger, die allesamt sicher verwandelten, das Elfmeterschießen. Freiburgs Christian Günter und Ermedin Demirovic vergaben. Nachdem er durch Maximilian Eggestein (19. Minute) in Führung gegangen war und RB-Verteidiger Marcel Halstenberg wegen einer Notbremse Rot gesehen hatte (57.), verpasste es der Sport-Club – womöglich auch aus Angst vor der eigenen Courage – den Sack zuzumachen. Stattdessen kassierte er in Überzahl den Ausgleich durch Christopher Nkunku (76.) und musste sich nach drei Aluminium-Treffern in der Verlängerung noch geschlagen geben.

Wie schon im Rennen um die Champions-League-Plätze in der Liga hatte Freiburg gegen RB wieder das Nachsehen. Eine laut Streich «wahnsinnig tolle Saison», in der sich der SC für die Europa League und erstmals für das Pokalfinale qualifizierte, endete mit der dritten Pflichtspiel-Niederlage in Serie. Das werde womöglich noch «brutal weh tun», prophezeite der Coach, der zunächst aber stolz war. Am Abend in Freiburg sang Streich das Vereinslied mit. Als er mit Sprechchören gefeiert wurde, war der Coach den Tränen nahe.

Freiburg-Fans begeistern Streich

«Es war so toll mit den Leuten, was hier alles abgegangen ist», sagte Streich, der mit seiner Mannschaft vom rot gekleideten Menschenmeer in der Ostkurve noch lange nach dem Spiel mit Sprechchören gefeiert worden war. «Wie sich die Fans aufgeführt haben in der Stadt – 30.000 und total friedlich. Wenn wir das bewahren könnten in diesem Verein, das wäre mein größter Wunsch. Da verzichte ich auch gerne auf einen Pokalsieg, auch wenn es mir schwerfällt.»

Beide Clubs feierten in der Nacht zum Sonntag in eigens angemieteten Eventlocations in der Beliner Innenstadt, ehe sie die Heimreise antraten um sich in die Goldenen Bücher ihrer Städte einzutragen. Der RB-Tross fährt um 14.45 Uhr mit einem offenen Truck durch die Stadt zur Festwiese vor der Red Bull-Arena. Die SC-Party steigt um 20.00 Uhr am Freiburger Stadttheater. Im Stadion war der Leipziger Jubel am Samstag unterbrochen worden, als ein Mann kurz nach dem Spiel nahe der Fotografentribüne reanimiert werden musste. Fast 20 Minuten herrschte gespenstische Atmosphäre im weiten Rund, ehe vorsichtige Entwarnung folgte: Der Patient sei laut Stadionsprecher «stabil» – und wurde unter dem Applaus der Zuschauer aus der Arena gebracht.

«Richtig geile Party»

Auf eine «richtig geile Party» freute sich RB-Boss Oliver Mintzlaff nachdem die Feierlichkeiten allmählich wieder angerollt waren. «Alles schwer zu begreifen, ich habe eigentlich keine Worte für das Spiel, ich bin unheimlich stolz, ich weine normalerweise nicht, aber nach dem letzten Elfmeter habe ich einfach nur geweint nach den Emotionen», sagte Offensivmann Emil Forsberg, der nach seiner Auswechslung zusammen mit Teamkollege Kevin Kampl den Anpeitscher auf der Leipziger Reservebank gespielt hatte. «Es wird groß gefeiert, es ging schon in der Kabine los. Ich habe auch Bock auf Bier.»

Kapitän und Torhüter Péter Gulácsi, der genau wie Forsberg schon bei den Final-Niederlagen gegen die Bayern und Borussia Dortmund dabei war, nannte den gelungenen Saisonabschluss einen «unglaublich schönen Moment». In der Liga hatten sich die Leipziger gerade noch in die Königsklasse gerettet. Nach dem Halbfinal-K.o. in der Europa League wäre eine Pleite in Berlin ein herber Schlag für den Club gewesen.

«Der Teamspirit, den wir gezeigt haben, war außergewöhnlich», meinte Gulácsi. Abwehrchef Willi Orban, ebenfalls schon seit 2015 bei RB, sagte: «Wir haben Geschichte geschrieben. Ich hoffe, das war nur der Anfang.» Auf ihrem offiziellen Twitter-Account benannten sich die Leipziger noch in der Nacht in Pokalsieger um.

Von Christoph Lother, Frank Kastner und David Langenbein, dpa