Union feiert Sieg im Spiel der Bayern-Verfolger

Die Berliner Topspiel-Gewinner hüpften noch auf dem Rasen vor Freude. Dass sie dafür noch Kraft hatten, war schon fast erstaunlich.

Mit einem Traumtor, einem Elfmeter und enorm viel Einsatz hat sich der 1. FC Union Berlin ein 2:1 (0:1) bei Pokalsieger RB Leipzig erarbeitet und die Position als Bayern-Verfolger Nummer eins gefestigt. Die Leipziger verloren dagegen zum fünften Mal nacheinander in der Fußball-Bundesliga gegen Union – und trotteten entsprechend enttäuscht vom Rasen.

Khedira: Entwicklung «surreal»

«Es ist eine Entwicklung, die sich keiner hätte vorstellen können», sagte Rani Khedira bei Sky. «Wir haben den 20. Spieltag und 42 Punkte, das ist ein Stück weit surreal. Das ist eine unglaubliche Moral. Es war kein schöner Sieg, es war kein verdienter Sieg, aber ein Sieg der Moral.»

Janik Haberer (61. Minute) und Robin Knoche (72.) per Handelfmeter drehten die Partie vor 47 069 Zuschauern, nachdem Benjamin Henrichs (24.) die Gastgeber in Führung gebracht hatte. Union liegt weiterhin nur einen Punkt hinter den Münchnern, für Leipzig endete eine Serie von 18 Spielen ohne Niederlage. RB ist nur noch Tabellenfünfter. Die Leipziger Profis ärgerten sich über die Aberkennung eines vermeintlichen Treffers in der Schlussphase.

Für Ärger sorgten die Anhänger im Berliner Block zur Mitte der zweiten Halbzeit. Auf drei Bannern attackierten sie den Leipziger Sportchef Max Eberl wegen dessen Burn-out-Erkrankung. Der 49-Jährige war bereits beim Spiel in Köln in der vergangenen Woche mit Plakaten ähnlich beleidigt worden.

Leipzig mit Kniff und Führung

RB hatte für das Spiel eigens vom Fan-Hit «Leipzig on fire» inspirierte Sondertrikots anfertigen lassen. Das Stadion wurde rot angestrahlt. Doch bei der Darbietung auf dem Rasen loderte zunächst nichts. Beide Mannschaften spielten in ähnlichen Systemen mit Dreierkette und neutralisierten sich entsprechend. Größtes Gesprächsthema war da noch der Kniff von RB-Coach Marco Rose, der Linksverteidiger Marcel Halstenberg auf die rechte Außenbahn stellte und Henrichs nach links.

Was auch immer der Plan war – er ging auf. Henrichs zog in die Mitte, Unions Winter-Neuzugang Josip Juranovic griff nicht ein. Also zog der seit Wochen in Top-Form spielende Henrichs aus gut 18 Metern einfach mal ab – die Führung.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Fans der Berliner bereits fast zehn Minuten mit ihrem Unterhaltungsprogramm befasst. Schon traditionell hatten die Zuschauenden der Köpenicker in der Anfangsviertelstunde geschwiegen. Es soll ein Protest gegen die Existenz des Kontrahenten sein. Selbst Union-Trainer Urs Fischer hatte vor dem Spiel bemerkt, dass ihm das eigentlich gar nicht gefalle.

Spiel oft zerfahren und kampfbetont

Mit Henrichs Tor war die erste Halbzeit schon fast auserzählt, denn die Partie fiel wieder in ihr altes zerfahrenes und zweikampfbetontes Muster. Dabei hätten die Gastgeber mit ein wenig mehr Präzision im Angriffsspiel noch zu Chancen kommen können. Doch vor allem Nationalspieler Timo Werner machte zunächst eine unglückliche Figur, es mangelte an Timing, Spielübersicht und Ballkontrolle. Leipzig genoss den Ballbesitz von 55 Prozent bis zur Pause, Union kam nur zu einem Abschluss. Sheraldo Beckers Versuch aus spitzem Winkel wurde vom Leipziger Torwart Janis Blaswich entschärft (38.).

Zum Verdruss der Fans wurde es nicht wirklich besser. Erst der überraschend aufs Tor gezogene Freistoß von Juranovic sorgte zumindest bei Union für den Hallo-wach-Effekt. Bei der darauffolgenden Ecke fand sich Haberer allein am Strafraum wieder und drosch den Abpraller in den Winkel. Leipzig wurde für den Verwaltungsmodus abgestraft, Rose hatte vor dem Spiel vor den Berliner Standards gewarnt.

Zehn Minuten später wurde es noch besser für Berlin. Mohamed Simakan beförderte den Ball mit der Hand aus dem Strafraum, Schiedsrichter Daniel Schlager gab Elfmeter. Knoche verwandelte sicher in die Mitte. In der 78. Minute jubelte der eingewechselte Yussuf Poulsen schon über den Ausgleich. Doch der Videoassistent wies Schlager auf ein vorheriges Abseits von Werner hin, das Tor zählte nicht.

Tom Bachmann, dpa