Sie duellierten sich bereits als Teenager, sind die wohl größten Alleskönner der Radsport-Geschichte und lassen die Konkurrenz in ihren Duellen wie bemitleidenswerte Statisten aussehen.
Wenn die Cross-Saison am Sonntag (15.00 Uhr/Eurosport 2) vor über 50.000 Fans im niederländischen Hoogerheide mit der WM ihren Höhepunkt erreicht, ist nur eine Frage zu klären: Wout van Aert oder Mathieu van der Poel? Zwei Jahre nach der packenden Hatz über den Strand von Oostende kommt es zwischen dem Belgier und dem Niederländer am Brabantse Wal zum nächsten Kampf um das Regenbogentrikot.
«Ich brauche das Weltmeister-Trikot nicht unbedingt. Aber es wäre schon aufregend, es wieder einmal zu tragen. Es ist ja schon eine Weile her», sagt van Aert. Der 28-Jährige geht in diesem Winter leicht favorisiert in das WM-Duell mit seinem gleichaltrigen Rivalen. In 13 Rennen fuhr van Aert neun Siege ein, war dabei nie schlechter als Zweiter. Van der Poel fuhr ein Rennen mehr und stand dabei zwölfmal auf dem Podium – doch es waren eben nur sechs Siege dabei. Zudem wird er seit seinem kapitalen Sturz im Mountainbike-Rennen der Olympischen Spiele von Tokio immer wieder von Rückenproblemen zurückgeworfen. «Meine Chancen sind 50:50, Wout war in dieser Saison viel öfter vorn», meint van der Poel.
Besondere Hoogerheide-Beziehung von «vdP»
Da gibt es zudem noch eine ganz besondere Beziehung von van der Poel zu Hoogerheide. Es ist der Geburtsort seines Vaters Adrie und das Rennen ist sogar nach dem einst sehr guten Crosser benannt. Und um das ganze auf die Spitze zu treiben, hat Adrie van der Poel sogar den WM-Kurs geplant und abgesteckt. Vorteil für den Junior? «Nein, das würde nicht funktionieren», beteuert Papa van der Poel.
Das Besondere an dem Zweikampf zwischen van Aert und van der Poel ist, dass er praktisch ganzjährig stattfindet. Während Tour-Sieger Jonas Vingegaard seine Planung der Frankreich-Rundfahrt im Sommer unterordnet oder Klassiker-Spezialist John Degenkolb die Kopfsteinpflaster-Hölle Paris-Roubaix als seinen Höhepunkt sieht, gönnen sich van Aert und van der Poel praktisch keine Pause. Sie zählen bei den Frühjahrsklassikern ebenso zu den Sieganwärtern wie bei zahlreichen Etappen der Tour.
Und im Winter geht es auf dem Querfeldein-Rad weiter. Sozusagen als Entspannungsübung. «Das sind die einzigen Rennen im Jahr, bei denen nichts von mir erwartet wird. Im Winter habe ich eine großartige Zeit», sagt van Aert. Auf den schlammigen Kursen, auf denen stets eine Stunde mit Maximalpuls gefahren wird, ist van Aert ein Freigeist. Auf der Straße stellt er sich oft in den Dienst seiner Mannschaft Jumbo-Visma – und schaffte trotzdem das fast schon absurde Kunststück, bei der Tour de France ein Zeitfahren, eine Sprint-Etappe und einen Abschnitt im Hochgebirge zu gewinnen.
«Pushen uns gegenseitig»
Die Rolle von van der Poel ist anders. Er ist der unumstrittene Star seines Teams, es dreht sich alles um den zweimaligen Flandern-Sieger. Doch diese Duelle mit van Aert sind auch für den in Belgien geborenen Holländer das Salz in der Suppe, die Extra-Motivation. Vor elf Jahren fuhren sie, gerade 17 Jahre alt, in Koksijde zum ersten Mal um das WM-Trikot im Cross. Damals gewann van der Poel, das Gesicht von van Aert auf den heute noch gern geteilten Fotos spricht Bände.
«Wir pushen uns gegenseitig auf ein höheres Level», betont van Aert. Zwei Jahre später schlug der Belgier im U23-Bereich zurück. Im Elitevergleich liegt nun van der Poel mit 4:3 vorn. Die Beziehung der beiden Superstars der Schlammschlachten ist von kühlem Respekt geprägt. Man fährt nicht unbedingt zusammen in den Urlaub, aber man kann auch nicht ohne den anderen. Es dürfte für van Aert ein besonderes Fest werden, auf einem von van der Poels Vater gestecktem Kurs den vierten WM-Titel zu holen.