Mathieu van der Poel breitete auf der Betonpiste im ehrwürdigen Velodrome von Roubaix am Ende seiner Triumphfahrt die Arme aus und krönte sich endgültig zum Kopfsteinpflaster-König in der Hölle des Nordens.
Der niederländische Weltmeister stürmte in beeindruckender Manier zu seinem zweiten Triumph beim gefürchteten Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix und ließ wie bei seinem Coup bei der Flandern-Rundfahrt vor einer Woche der Konkurrenz um den Kölner Nils Politt nicht den Hauch einer Chance.
Van der Poel setzte sich nach 259,7 Kilometern, davon 55,7 Kilometer über die harten Pavés aus den Zeiten Napoleons, mit einer langen Solofahrt vor seinem Team-Kollegen Jasper Philipsen und dem Dänen Mads Pedersen durch. «Ich habe mich heute super gut gefühlt», sagte van der Poel. «Das hätte ich mir als Kind nicht erträumen können.» Er lobte auch die Leistung seines Teams, das noch besser als vergangenen Jahr gefahren sei.
Bester Deutscher war in einem beispiellosen Hochgeschwindigkeitsrennen der starke Politt auf dem vierten Platz. Der 30-Jährige, der 2019 schon einmal auf den zweiten Platz in Roubaix gefahren war, hatte zwischenzeitlich in einer dreiköpfigen Spitzengruppe sogar vom ganz großen Coup träumen dürfen. Auch Routinier John Degenkolb, der Sieger von 2015, war lange Zeit trotz eines Reifendefekts zur Unzeit im Vorderfeld vertreten. «Meine Beine waren echt gut», sagte Politt. Es sei aber sehr hart für ihn gewesen bei dieser «unfassbar schnellen» 121. Ausgabe des Rennens. «Ich kann glücklich sein», bilanzierte der Kölner.
Van der Poel auf den Spuren von Cancellara
Doch van der Poel fuhr – wieder einmal – in einer eigenen Liga. «Mathieu van der Poel schwebt ein Stück über allen anderen. Er ist der Einzige, der sich selbst schlagen kann», sagte Degenkolb der dpa und sollte Recht behalten. 59,7 Kilometer vor dem Ziel setzte sich MvP auf dem staubigen Feldweg in Orchies mit einer kraftvollen Attacke von seinen Rivalen ab. Die Konkurrenz hatte darauf keine Antwort parat. Van der Poel ist der erste Fahrer seit dem Schweizer Klassiker-Spezialisten Fabian Cancellara im Jahr 2013, dem das seltene Double aus Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix gelang.
Der befürchtete Regen war am Wochenende in Nordfrankreich ausgeblieben, sodass die Strecke nur an vereinzelten Stellen noch feucht war. Entsprechend hielt sich die Anzahl der Stürze auch in Grenzen. Nach den schlimmen Sturzszenen der vergangenen Tage war dies eine erleichternde Nachricht für die Branche. Erst am Donnerstag hatten der dänische Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard und Zeitfahr-Weltmeister Remco Evenepoel aus Belgien nach einem heftigen Crash zahlreiche Knochenbrüche erlitten. Die beiden Stars werden wie auch Alleskönner Wout van Aert (Belgien), den es bei Quer durch Flandern erwischt hatte, wochenlang ausfallen.
Schikane entschärft Arenberg-Passage
Auch im berüchtigten Wald von Arenberg gab es dieses Mal kein «Russisches Roulette», wie es Renndirektor Thierry Gouvenou mit Blick auf frühere Dramen formuliert hatte. Die Veranstalter hatten den Kopfsteinpflaster-Abschnitt durch eine Schikane kurz vor dem Eingang in den Wald entschärft, um Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h zu verhindern. Das Hindernis hielt aber van der Poel nicht davon ab, ein erstes Kräftemessen zu initiieren. Der Weltmeister drückte dermaßen auf das Tempo, dass nur noch drei Fahrer folgen konnten.
Dass die exquisite Gruppe – auch Ex-Weltmeister Mads Pedersen war dabei – nicht schon 95 Kilometer vor dem Ziel alleine wegzog, war einem Defekt von van der Poels Teamkollegen Jasper Philipsen aus dem Rennstall Alpecin-Deceuninck geschuldet. Den Sieger von Mailand-Sanremo wollte der Topfavorit so früh im Rennen noch nicht an seiner Seite verlieren. Das ermöglichte auch Degenkolb die Chancen, nach seinem Defekt am Ende des Arenberg-Waldes wieder aufzuschließen.
Danach war es Politt, der zusammen mit dem Schweizer Stefan Küng und dem Belgier Gianni Vermeersch zwischenzeitlich mit einer halben Minute Vorsprung entwischt waren. Der 30-jährige Kölner präsentiert sich in diesem Frühjahr ohnehin in starker Form. Schon in Flandern war er auf Platz drei gesprintet – wenn auch weit hinter Sieger van der Poel.