Verstappen im eigenen «Universum»: Triumph in Spa

Die TV-Bilder seiner grandiosen Aufholjagd auf der Formel-1-Kultstrecke von Spa schaute sich Max Verstappen genüsslich kichernd an.

30 Jahre nach dem ersten Triumph von Michael Schumacher in Belgien stürmte der Red-Bull-Pilot am Sonntag ähnlich unwiderstehlich wie einst der Rekordchampion von Startplatz 14 zur Begeisterung Zehntausender Oranje-Fans fast spielerisch nach ganz vorn.

«Es war eine hektische erste Runde. Danach lief das Auto wie auf Schienen. Dieses ganze Wochenende war unglaublich», äußerte Verstappen, der kommende Woche beim Grand Prix in den Niederlanden seinen Siegeszug fortsetzen will. «Ich hätte mir das vorher nicht besser vorstellen können.»

Zweiter WM-Titel rückt näher

Nach seinem neunten Sieg im 14. Saisonrennen nähert sich Verstappen seinem zweiten WM-Titel mit Riesenschritten. Teamkollege Sergio Perez machte den Doppelerfolg für Red Bull mit einem Rückstand von 17,8 Sekunden in Belgien perfekt, Dritter wurde Ferrari-Fahrer Carlos Sainz. Fast ehrfürchtig zollte ihm sein Teamkollege Respekt. «Max ist einfach davongeflogen, war in seinem eigenen Universum unterwegs», befand Perez.

Im ersten Rennen nach der Sommerpause ließ sich Verstappen auch von einer Startplatzstrafe wegen eines unerlaubten Motorenwechsels nicht bremsen und zerstörte im Grunde alle Hoffnungen auf mehr Spannung im WM-Kampf. Der Niederländer liegt mittlerweile 93 Zähler vor Perez. «Max, du warst brillant», lobte Teamchef Christian Horner.

Nur noch auf Platz drei der WM-Fahrerwertung rangiert Charles Leclerc im Ferrari. Die Aufholjagd des Monegassen endete auch wegen einer Fünf-Sekunden-Strafe wegen zu schnellen Fahrens in der Boxengasse nur auf Position sechs.

Vettel in den Punkten

Haas-Fahrer Mick Schumacher, dessen Vater bei einer seiner vielen Spa-Sternstunden 1995 im Regen von Platz 16 aus gewonnen hatte, musste sich mit Platz 17 begnügen. Sebastian Vettel im Aston Martin sicherte sich als Achter immerhin drei WM-Punkte.

Für Rekordweltmeister Lewis Hamilton war der Formel-1-Neustart nach einem Crash in der fünften Kurve mit Alpine-Routinier Fernando Alonso schon nach der ersten Runde beendet. «Was für ein Idiot. Der weiß nur, wie man fährt, wenn er als Erster startet», schimpfte Alonso über den Mercedes-Mann, der einsam auf einem Schotterweg zurück ins Fahrerlager trottete.

«Wenn ich mir die Bilder anschaue: Er war in meinem toten Winkel, ich habe ihn nicht gesehen, es tut mir so leid für das Team», sagte Hamilton und meinte über die Beschimpfung des Spaniers: «Was er sagt, ist mir egal. Es war mein Fehler, er war in einem blinden Fleck. So etwas passiert.»

Crash in der zweiten Runde

Nicht Verstappen, nicht Leclerc: Die Pole sicherte sich nach einer Strafen-Flut für den regelwidrigen Austausch von Motorenteilen Sainz im zweiten Ferrari. Red-Bull-Verfolger Perez erwischte einen miesen Start. Verstappen legte von Platz 14 dagegen super erste Runden hin und arbeitete sich gleich auf Rang acht vor. Leclerc war als Neunter direkt dahinter, Vettel raste erstmal von Zehn auf Fünf vor.

Ein Crash schon in der zweiten Runde zwischen Valtteri Bottas im Alfa Romeo und Williams-Pilot Nicholas Latifi sorgte gleich für das Safety Car. Leclerc klagte über Rauch vorne rechts, kam an die Box und wechselte von Soft- auf Medium-Gummis. Er fiel auf Platz 17 zurück.

Ein Jahr nach der Spa-Farce, als Verstappen im Dauerregen nach XXL-Wartezeit und nur zwei Runden als Sieger gewertet wurde, bekamen die Fans vor allem vom Niederländer eine irre Show geboten. Der 24-Jährige rollte weiter das Feld von hinten auf und übernahm nach dem ersten Sainz-Stopp schon in der zwölften Runde die Führung. Schumacher mühte sich nach dem drittletzten Startplatz am Ende des Feldes ab, Vettel steckte im Kampf um die Punkte.

Frenetische Fans

Ganz vorne machte aber Verstappen Dampf. Im 15. Umlauf wechselte er auf die mittlere Reifenmischung. Nach seinem Stopp fuhr der Champion hinter dem nun Führenden Sainz zurück auf den Asphalt und lag gerade mal vier Sekunden hinter dem Spanier.

Verstappen war anschließend teils 2,4 Sekunden schneller als der Ferrari-Fahrer und in Runde 18 auch vorbei. Leclerc hatte schon vorher gesagt, dass das Tempo des Weltmeisters «beängstigend» sei. Nur drei Runden später kassierte auch Verstappens Teamkollege Perez mühelos Sainz und war nun selber Zweiter.

Die Ordnung an der Spitze war damit zementiert. Die Fans in Spa, die auch 2023 einen Grand Prix vor Ort erleben werden, jubelten dem Weltmeister nach der Zieldurchfahrt frenetisch zu.

Von Christian Hollmann und Martin Moravec, dpa