Die erste Bundesliga-Niederlage des 1. FC Union seit März war für Timo Baumgartl natürlich ärgerlich – mehr aber auch nicht.
«Man setzt die Prioritäten anders, man kann den Alltag einordnen», sagte der Verteidiger im ZDF-«Sportstudio». Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich will der 26-Jährige jedes Spiel gewinnen, natürlich genügte das 0:2 bei Eintracht Frankfurt nicht den neuen Ansprüchen des Berliner Bundesliga-Spitzenreiters. Aber Baumgartl hatte bei seinem TV-Auftritt andere Dinge zu erzählen. Sein nutzloses Rutschen gegen Jesper Lindström beim zweiten Gegentreffer spielte keine Rolle.
Gut 20 Minuten berichtete Baumgartl über seine Hodenkrebserkrankung, das Weinen nach die Diagnose, die Chemotherapie, die Emotionen beim Comeback. Längst ist der Schwabe zu einer Symbolfigur geworden und «Vorbild» für andere Betroffene wie der Dortmunder Stürmer Sebastien Haller in einem Videoclip erzählte, ein weiterer von insgesamt vier innerhalb weniger Monate erkrankten Bundesliga-Spielern neben den Hertha-Profis Marco Richter und Jean-Paul Boetius.
Baumgartl sprach von seiner «Reichweite», seiner «Stimme, die ankommt in der Gesellschaft». Für ihn ergibt sich daraus eine Verantwortung, andere junge Männer für das Tabuthema Hodenkrebs zu sensibilisieren. Auch mit einem anderen Tabuthema, der psychologischen Betreuung, geht der Innenverteidiger offensiv um. Selbstverständlich bespreche er sein Leben, seine Sorgen mit einem Therapeuten. Im Kollegenkreis würden mittlerweile auch Witze gemacht, auch das eine Möglichkeit der Aufarbeitung, meinte Baumgartl.
Die Niederlage in Frankfurt ordnete Baumgartl, der als Vertreter von Robin Knoche zentral in der Abwehrkette spielte, realistisch ein. «Verdient» sei sie gewesen. Eine gute erste Viertelstunde reiche nicht. Aus der Bahn wirft sie weder Baumgartl noch Union. Auch nach acht Spieltagen bleiben die Eisernen als Überraschungsteam ganz oben. Trainer Urs Fischer hatte realistisch eingeordnet: «Das war heute zu wenig. Die Frankfurter waren wacher, schneller und schärfer in den Entscheidungen. Wenn wir uns nicht am absoluten Limit bewegen, wird es für uns schwer.»