«Vorbild» Martin will Karrierekrönung im Rad-Mixed

Geplagt von Stürzen und dem ewigen Stress als Radprofi hat sich Tony Martin diesen Tag so lange herbeigesehnt.

Der 36-Jährige aus Cottbus setzt seiner glorreichen und erfolgreichen Karriere ein Ende – und zwar genau so, wie er sich das vorgestellt hat: Martin hört in der schönen und radsportverrückten Stadt Brügge auf. Er fährt zum Abschluss ein bedeutendes WM-Rennen und hat im allerletzten Mixed gemeinsam mit Max Walscheid, Nikias Arndt, Mieke Kröger, Lisa Klein und Lisa Brennauer tatsächlich die Möglichkeit auf ein allerletztes WM-Edelmetall.

«Die Chance auf eine Medaille ist sicherlich größer als im Einzel, alleine schon wegen der begrenzten Anzahl der Teams», sagte der Jumbo-Visma-Profi mit dem Spitznamen «Panzerwagen» der Deutschen Presse-Agentur. «Gerade die Chance auf Gold ist wesentlich größer. Eine Medaille sollte drin sein.» Vor zwei Jahren gab es bei der WM-Premiere direkt Silber, auch an diesem Mittwoch (ab 14.20 Uhr/Eurosport) liest sich die Teambesetzung mit drei Bahn-Olympiasiegerinnen verheißungsvoll.

Frauen als Trumpf

«Ich denke, die Frauen sind vielleicht sogar stärker einzuordnen als wir – im Vergleich zur Konkurrenz», sagte Martin, der das Mixed für «eine schöne Disziplin» hält und hervorhebt, wie sehr er sich über die zusätzliche Aufmerksamkeit für die «extrem professionell arbeitenden» Frauen freut. Klein, Brennauer und Kröger, die in Tokio Gold auf der Bahn holten, dürften auf den 44,5 flachen Kilometern von Knokke-Heist nach Brügge die deutsche Trumpfkarte sein. Das Trio übernimmt, nachdem Martin, Walscheid und Arndt vorgelegt haben.

Das deutsche Team würde der nationalen Radsport-Größe natürlich gerne einen würdigen Abschied bereiten. «Ich denke, er ist eine Radsport-Legende und ein Vorbild für andere im Zeitfahren», sagte Walscheid. Auch Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrers (BDR), würdigte den Routinier vor dessen Finale mit warmen Worten: «Tony Martin ist ein herausragendes Vorbild, weit über den Sport hinaus. Er hat sich um den deutschen Radsport mehr als verdient gemacht.»

Nach Olympia-Silber in London, vier Regenbogentrikots als Einzelzeitfahr-Weltmeister und drei Titeln als Team-Champion ist für Martin tatsächlich ein letztes großes Highlight möglich. «Mein größter und schönster Moment war wirklich, als ich 2011 zum ersten Mal Weltmeister geworden bin. Das steht für mich über allem», sagte der Cottbuser dem ZDF. Holt das Mixed-Team den WM-Titel für Deutschland, dürfte sich der goldene Abschluss von Brügge sicher nahtlos einreihen.

Vertrag vorzeitig aufgelöst

Sein Team Jumbo-Visma, das auch Stars wie Olympiasieger Primoz Roglic (Slowenien) oder Alleskönner Wout van Aert aus Belgien beschäftigt, hat Martin diesen unkomplizierten Abgang ermöglicht. Eigentlich hätte der gemeinsame Vertrag bis Ende 2022 gegolten, doch die Niederländer wollten nach den vergangenen Jahren voller wichtiger Helferdienste und erlittener Stürze nicht mehr so streng bei Martin sein. Sie veröffentlichten stattdessen ein Dankesvideo in den Sozialen Medien.

Der zweimalige Familienvater will sich künftig deutlich mehr seinen Liebsten widmen, statt ganzjährig durch die Welt zu touren. Mit welchem Gefühl er die WM im fanatischen Flandern verlassen wird, dürfte auch vom allerletzten Resultat abhängen. «Die WM ist immer etwas Besonderes. Ich hatte noch keine WM, wo ich todtraurig zurückgereist bin. Ich werde erst einmal die WM genießen», kündigte Martin an. Konkrete Pläne für die Zeit nach der Sportlerkarriere gebe es noch nicht.

Von Patrick Reichardt, dpa