Weg frei für Rose: RB Leipzig trennt sich von Tedesco

Domenico Tedesco verabschiedete sich noch per Handschlag von jedem Spieler. Doch schon vor dem Auslaufen nach dem peinlichen 1:4 in der Champions League gegen Schachtjor Donezk war die Zeit des Trainers bei RB Leipzig abgelaufen.

Der Club verkündete nur 109 Tage nach dem Sieg im DFB-Pokal die Trennung und verkaufte sie als «das Ergebnis einer tiefgreifenden Analyse» nach dem Donezk-Debakel. Geschäftsführer Oliver Mintzlaff betonte immerhin, dass die Entscheidung «uns sehr schwergefallen» sei.

Mintzlaff will «einen neuen Impuls»

Einen Nachfolger will der Club zeitnah präsentieren, doch die Lösung ist längst ein offenes Geheimnis. Marco Rose ist Leipziger, vertragslos, bereit und ohnehin tief drin im RB-Kosmos. Der 45-Jährige wäre der von Mintzlaff gewollte «neue Impuls» – für die Mannschaft und die Fans. Er hätte als Leipziger wohl auch mehr Kredit als Tedesco, dem der Pokalsieg, das Halbfinale in der Europa League und die beste Bundesliga-Rückrunde letztlich nichts einbrachten. Finanziell ist für Tedesco zudem die ausgeschlagene Vertragsverlängerung im Sommer bitter.

Was es bei Rose ad hoc interessant macht, ist der Vertragsbeginn. Schließlich trifft das aktuell arg neben sich stehende Team am Samstag auf Dortmund (Roses Ex-Club I), muss dann zu Real Madrid und schließlich nach Mönchengladbach (Roses Ex-Club II). Entweder man geht all in oder sucht bis zur nach dem Gladbach-Spiel beginnenden Länderspiel-Pause eine Interimslösung. Dann würde Rose mit einem Heimspiel gegen Bochum starten – und hätte vielleicht schon ein paar Probleme gelöst.

Denn der für Leipziger Verhältnisse ungewöhnlich hohe Verschleiß von zwei Trainern in nicht mal einem Jahr zeigt, dass die Fehlersuche im Club tiefer gehen muss. Wenn man so will, ist Tedescos Freistellung der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklung, die mit dem Abgang von Architekt Ralf Rangnick im Sommer 2019 begann. Für eine gewisse Zeit und dank des hochbegabten Trainers Julian Nagelsmann konnte die Clubführung den entstandenen Schaden kaschieren. Mit dem Pokalsieg wähnte man sich als kommender Titelsammler und Bayern-Jäger.

Eberl und Rose kennen sich aus Gladbacher Zeiten

Doch schon die zur Lächerlichkeit geratene Suche nach einem neuen Sportdirektor offenbarte einen massiven Substanzverlust auf diversen Ebenen. Mehr als ein Jahr sucht Mintzlaff nun schon einen Nachfolger für Markus Krösche, immer wieder vermasselte er selbst gesetzte Deadlines. Immerhin steht der Clubboss nun kurz vor der Verpflichtung von Max Eberl als Sportchef. Was gewiss angenehm ist, kennt der doch den designierten neuen Coach Rose bereits aus Gladbacher Zeiten.

Doch auch Rose und Eberl müssen zunächst mit dem Kader zurechtkommen, der ihnen von der sportlichen Führung in den vergangenen Transferperioden gebaut worden ist. Die Mannschaft besticht durch Hochbegabte wie Christopher Nkunku, Dani Olmo und Josko Gvardiol. Doch dem Kader fehlt es an Balance. Statt die geschwächte rechte Abwehrseite oder das defensive Mittelfeld zu stärken, holte man im Sommer in Timo Werner einen fünften Stürmer. Ein Transfer, der bei den Fans Punkte brachte, sich bisher sportlich allerdings als wenig sinnhaft erweist.

Selbiges gilt für die Verpflichtung von David Raum. Der Nationalspieler zeigte bisher nicht mal im Ansatz, dass er ein Upgrade zum im Gegenzug nach Hoffenheim verliehenen Angeliño ist. Xaver Schlager durfte nur im Pokal gegen Viertligist Ottensen von Beginn an spielen und kam dann ausgerechnet gegen Donezk zum ersten ernsthaften Pflichtspieleinsatz in der Startelf. Entsprechend war die Stimmung des Österreichers: «Es ist, als ob man einen neuen Ferrari kauft und mit 100 gegen die Wand fährt.»

Die Leipziger Mannschaft ähnelte zuletzt eher dem Prototypen eines Elektroautos. Viel Potenzial, viel Zukunft, viel Fantasie, aber eben noch lange nicht die ganz große Ingenieurskunst. Dem neuen Trainer obliegt es nun nicht nur, einen funktionierenden Fußball spielen zu lassen. Sondern er muss der Mannschaft wieder eine Identität geben, wie dies einst Rangnick und später Nagelsmann gelang. Es dürfte eine Mammutaufgabe werden.

Von Tom Bachmann, dpa