Jan Frodeno hat Superlative geschaffen, er hat Triathlon-Geschichte geschrieben und einen deutschen Rivalen schon mal zum Hawaii-Triumph geschrien.
Er reichte Profis und Amateuren im Mekka der von ihm so mitgeprägten Sportart schon das Wasser als freiwilliger Helfer. An diesem Sonntag um 6.50 Uhr tritt der Superstar zum letzten Mal an, bei der viel diskutierten Ironman-WM-Premiere in Nizza zu seinem letzten «großen Tanz».
Sehr nervös werde er sein, verriet der 42 Jahre alte gebürtige Rheinländer der Deutschen Presse-Agentur und fasste die Bedeutung dieses einen, dieses letzten Titelrennens für ihn über 3,86 Kilometer, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen zusammen: «Ein Leben als Sportler, das in einem Rennen veredelt werden soll.»
Karriereende vertagt
Ein Rennen, das er in seiner Karriere-Planung in vielerlei Hinsicht lange gar nicht auf der Rechnung hatte. Eigentlich wollte Frodeno seine von Erfolgen, aber auch Rückschlägen geprägte lange Laufbahn im vergangenen Jahr auf Hawaii beenden. Dort, wo er 2015 zum ersten Mal Ironman-Weltmeister geworden war und 2016 den Titel verteidigt hatte. Dort, wo er sich 2017 aber auch mit üblen Rückenschmerzen und riesigem Rückstand ins Ziel schleppte. Dort, wo er 2018 verletzt passen musste und vor elf Monaten ebenfalls nicht mitmachen konnte.
Statt einen krönenden Karriere-Abgang mit vier WM-Sternen hinzulegen, reichte Frodeno den verdutzten und überraschten Teilnehmerinnen und Teilnehmern Getränke an einem Verpflegungsstand. Es war das Jahr, in dem auch die deutsche Titelserie endete. Im Mai 2022 gewann Kristian Blummenfelt die Nachhol-WM von 2021, ausgetragen in St. George. Auch da konnte Frodeno nicht starten. Im Oktober desselben Jahres siegte Gustav Iden, Landsmann und Trainingspartner von Blummenfelt. Die beiden Norweger werden in Nizza nicht dabei sein.
Seit 2014 waren alle Hawaii-Titel bis zu den Absagen durch die Corona-Pandemie an deutsche Athleten gegangen. 2014 hatte Sebastian Kienle gewonnen, der 39-Jährige trat vor einem Jahr schon zu seinem WM-Finale an. Dann folgte Frodeno, ehe Patrick Lange triumphierte. 2017 bei dessen erstem Sieg feuerte der längst abgeschlagene Frodeno Lange höchstpersönlich an.
Großes deutsches Duell
Und nun kommt es auch wieder zum großen deutschen Duell. Lange ernannte Frodeno schon mal zum Topfavoriten. «Er ist der Mann, den man schlagen muss», sagte Lange der Deutschen Presse-Agentur. «Ich glaube, der Junge ist bis in die letzte Haarspitze motiviert.»
Für Konkurrenz ist gesorgt, auch wenn sich alle Blicke auf Frodeno richten werden, wenn die WM-Premiere in Südfrankreich über die große Bühne geht. Denn hinter ihm liegt ein Jahr, wie es schlimmer kaum hätte sein können. Zunächst Achillessehnenprobleme, dann massive Hüftbeschwerden. Gleich mehrere Male musste Frodeno unters Messer. «Mein Arzt in Deutschland hat das ferndiagnostisch betreut und sagte irgendwann zu mir: Junge, nur dass du es kapierst, hier geht es nicht mehr um Sport, hier geht es darum, dass du irgendwann wieder normal gehen kannst», sagte Frodeno einmal der «Welt».
Der Weg zurück war hart. Platz vier auf Ibiza Anfang Mai dieses Jahres über 2 Kilometer Schwimmen, 80 Kilometer Radfahren und 18 Kilometern Laufen. Platz vier bei der Ironman-EM in Hamburg Anfang Juni. Und dann der Sieg zur rechten Zeit vor rund einem Monat wiederum über insgesamt 100 Kilometer. Mit Jubel im Ziel auf Weltmeister-Niveau. «Es waren ein paar Schwere Jahre und mit Sicherheit vor dem Hintergrund einer meiner schönsten Siege», sagte Frodeno der dpa.
«Spagat aus Wehmut und Anspannung»
Noch einmal siegen, das wäre die ultimative Krönung. An seinem Entschluss, die Erfolgskarriere, die vor 15 Jahren mit Olympia-Gold in Peking begann, zu beenden, wird der Ausgang seines letzten großen Rennens aber nichts ändern. «Ich freue mich sehr, dass ich es nochmal geschafft habe wirklich topfit zu sein, frage mich deshalb auch ob es denn alles nur für dieses eine Rennen sein kann. Aber meine Antwort bleibt ja», sagte er der dpa.
Doch Gedanken an das Karriereende begleiten ihn in den Wochen und Tagen und sicher auch in den Minuten, bevor es an diesem Sonntag in der Früh an der Plage des Ponchettes in Nizza an der Côte d’Azur losgeht. «Es ist in der Tat ein Spagat aus Wehmut und Anspannung vor dem letzten großen Tanz», erzählte er. Emotional sei es derzeit ein ewiges Auf und Ab. «Da kann ab und zu schonmal eine Träne nahe sein, wenn eine Einheit, die ich hundertmal gemacht habe, plötzlich die letzte war.»
Seinen letzten Zieleinlauf als Profi-Triathlet wird Frodeno nicht am berühmten und legendären Ali’i Drive in Kailua-Kona erleben. Diesmal fällt die Entscheidung spätestens auf dem Boulevard des Anglais.
Die zeitliche und örtliche Zweiteilung der WM – die Frauen starten in vier Wochen in Hawaii, nächstes Jahr wird gewechselt – wegen des fast doppelt so großen Teilnehmerfelds hatte auch Frodeno scharf kritisiert und um den Mythos Hawaii gefürchtet. Nun in Nizza, nach einer extrem schweren Radstrecke mit 2400 Höhenmetern und technisch anspruchsvollen Abfahrten, kann und will Frodeno seinen eigenen Mythos vollenden. «Eine letzte Chance, sich zu messen und da werden die Schmetterlinge im Bauch nicht fehlen», sagte Frodeno.