Pressekonferenzen mit Andreas Wellingers großem Vierschanzentournee-Rivalen Ryoyu Kobayashi haben auf ihre eigene Art großen Unterhaltungswert. Wenn der Spitzenreiter des Schanzenspektakels nach einem Podestrang Platz nimmt, um die Fragen der Medien zu beantworten, folgt das einem bestimmten Muster.
Egal, wie wortreich und kreativ die Frage auch sein mag: Die Antwort von Kobayashi fällt kurz, knapp und sehr häufig ziemlich nichtssagend aus. Auf die Frage, wie sein Verhältnis zu Wellinger sei und ob er mit diesem auch mal einen Kaffee trinke, sagte der 27 Jahre alte Skispringer mit einem Grinsen nur: «Ich trinke keinen Kaffee.»
Auch für Wellinger ist der recht schweigsame Ausnahmesportler in gewisser Weise ein Rätsel. «Er redet bei mir auch nicht allzu viel», sagte der deutsche Hoffnungsträger, der vor dem Tournee-Finale in Bischofshofen (Samstag 16.30 Uhr/ARD und Eurosport) gut zweieinhalb Meter hinter Kobayashi auf Rang zwei liegt. Wellingers Interpretation: «Er will gar nicht so viel reden, weil er nichts falsch sagen will.»
«Verdammt guter Skispringer»
Sympathisch findet der Bayer seinen Kontrahenten trotzdem. «Er ist ein sehr, sehr ruhiger und angenehmer Zeitgenosse. Mit ihm kannst du Spaß haben, auch wenn es nur nonverbal ist», sagte der Bayer. Was aber wohl noch wichtiger ist und für Wellinger zum Problem werden könnte: «Er ist ein verdammt guter Skispringer.»
Bei dieser Tournee präsentiert sich Kobayashi extrem konstant. Jeweils Platz zwei in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck haben ihn beim Prestige-Event an die Spitze geführt. Angedeutet hatte sich das vorher nicht unbedingt. Im Weltcup reichte es auch mal nur zu Platz zwölf oder 13. Vor dem Saisonhöhepunkt in vier Akten schaffte er es in dieser Saison erst einmal aufs Podest. Wellinger zählte ihn dennoch von Beginn an zu den Favoriten. Schließlich ist Kobayashi ein echter Tournee-Experte.
Zweimal hat er sie bereits gewonnen. 2018/19 entschied er sogar alle vier Springen für sich und verwies Markus Eisenbichler und Stephan Leyhe auf die Plätze zwei und drei. 2021/22 verhinderte er mit seinem Sieg im Gesamtweltcup den Erfolg des zweitplatzierten Karl Geiger. Diesmal soll er nicht schon wieder zum Spielverderber für die Adler des Deutschen Skiverbands (DSV) werden.
Stippvisite in der Boxengasse
Kobayashi, der aus der Präfektur Iwate stammt und mit elf Jahren zunächst als Langläufer begann, liebt schnelle und große Autos. Auf Fotos bei Instagram posiert er neben PS-starken Boliden. Beim Formel-1-Team von Red Bull schaute er schon in der Boxengasse vorbei.
Einst bezeichnete sich Kobayashi, der bei der Tournee seit Jahren von Übersetzer Markus Neitzel begleitet wird, mal als «Neo-Japaner» und rief damit große Neugier hervor. Erklären konnte oder wollte er den Begriff auf gezielte Nachfragen aber nicht. «Ich habe dieses Wort einfach so benutzt», sagte er und hatte damit erneut viele Lacher auf seiner Seite.
Doch was macht Kobayashi so stark? Warum beherrscht er die Tournee mit all ihren Eigenheiten und den vielen Sprüngen in kurzer Zeit so gut? Wellinger hat darauf eine einfache Antwort. «Vielleicht, weil er weniger reden muss als ich», sagte er und lachte.