Wende oder Zittern? Löw will Ronaldo nochmal leiden sehen

Jetzt muss geliefert werden. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat sich durch die 0:1-Auftaktniederlage bei der Europameisterschaft gegen Frankreich selbst in Zugzwang gebracht.

Gegen Portugal will Bundestrainer Joachim Löw an diesem Samstag (18.00 Uhr/ARD und MagentaTV) sofort die Trendwende schaffen. Sonst muss um das Achtelfinale gezittert werden. Interessant: Superstar Cristiano Ronaldo hat gegen Deutschland noch nie getroffen.

Die Ausgangslage: Auf dieses Déjà-vu hätte Joachim Löw gerne verzichtet. Wie bei der WM 2018 steht die Nationalmannschaft nach einer Auftaktniederlage schnell unter Druck. Im Gegensatz zum Russland-Debakel würde allerdings auch eine weitere Niederlage gegen die Portugiesen zumindest am Samstagabend noch nicht das Turnier-Aus bedeuten. Dann müsste bis zum Gruppenfinale ordentlich gerechnet werden, ob es noch zu einem Achtelfinal-Ticket als einer der vier besten Gruppendritten reichen kann. Es geht aber auch einfacher. Mit einem Sieg hätte Deutschland wieder alles in der eigenen Hand. Sogar der Gruppensieg wäre noch möglich.

Personal und Taktik: Die Taktik wird verändert. Das kündigte Löw an. Mehr Drang nach vorne und konsequenter dran bleiben in der gegnerischen Hälfte. So lautet die Forderung des Bundestrainers an seine Offensivkräfte. Zum Personal äußerte sich Löw nicht konkret. Joshua Kimmich weiter auf rechts statt in der Mitte? Das ist wahrscheinlich, auch wenn es dem Bayern-Profi nicht recht gefällt. «Der Trainer stellt so auf, dass die Mannschaft möglichst erfolgreich ist», lautete Kimmichs etwas schmallippiges Statement.

Vorne Leroy Sané oder Timo Werner statt Kai Havertz? «Taktische Änderungen kann man mit der gleichen Formation durchführen, man kann aber auch Wechsel vornehmen», wich Löw einer Antwort dazu aus. Eins ist aber klar: Leon Goretzka soll nach seiner Verletzungspause als Energiepaket zumindest im Laufe der zweiten Hälfte für Dampf sorgen.

Der Gegner: Bei den Portugiesen ist diesmal alles anders als in den vergangenen Jahren. Erstmals seit der EM 2008 gelang Ronaldo und Co. durch das 3:0 gegen Ungarn wieder ein Sieg in einem Auftaktspiel. Mit Selbstvertrauen kommt der Titelverteidiger also nach München. Der Heimvorteil der DFB-Elf wird auch nicht als Problem gesehen. In der voll besetzten Puskas-Arena hielt man auch den Magyaren Stand. Dort machte zwar auch wieder Cristiano Ronaldo als EM-Rekordmann den Unterschied – doch Portugal ist mehr als sein Superstar. «Portugal ist keine One-Man-Show», sagte Löw.

Joao Cancelo, Ruben Dias, Bernardo Silva (alle Manchester City), dazu Bruno Fernandes (Manchester United) oder Diogo Jota vom FC Liverpool haben Premier-League-Erfahrung. Da ist sogar für Eintracht Frankfurts Torjäger André Silva bisweilen kein Startplatz frei. «Portugal hat brutale Qualität, als Mannschaft und individuell», sagte Kai Havertz.

Die Historie: Seine makellose Portugal-Bilanz will sich Joachim Löw kurz vor seiner DFB-Rente nicht verderben lassen – auch wenn die Ergebnisse von gestern nichts mehr zählen, wie er klar machte. Gegen kein Spitzenteam lief es unter ihm als DFB-Chefcoach seit 2018 so prächtig. Drei Turnier-Spiele, drei Siege und immer stand Cristiano Ronaldo torlos und bedröppelt da. 2008 gab es mit dem auf die Tribüne verbannten Löw ein 3:2 im EM-Viertelfinale, 2012 erzielte Mario Gomez das einzige Tor im EM-Auftaktspiel und 2014 sorgte das 4:0 in Salvador für den perfekten Startschuss Richtung WM-Triumph.

Die Sicherheit: Nach der missglückten Protestaktion von Greenpeace vor dem Frankreich-Spiel mit Verletzten bei der Notlandung eines Motorschirm-Fliegers im Münchner Stadion verstärkt die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen. Statt 1000 sollen diesmal 1500 Beamte im Einsatz sein, kündigte das Polizeipräsidium der bayerischen Landeshauptstadt an. Die Sicherheitskräfte operieren sowohl am Boden als auch in der Luft mit der Polizeihubschrauberstaffel und Spezialeinheiten. Im Vergleich zum Dienstagabend-Spiel gegen Frankreich werden deutlich mehr Fans in der Stadt erwartet.

Von Arne Richter, Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa