Wirtz und Musiala: «Jahrhundert-Talente» als Hoffnung

Jahrhundert-Talente. Kommende Weltfußballer. Ein Geschenk für den Fußball. Wenn Experten über Florian Wirtz und Jamal Musiala reden, scheint kein Superlativ zu hoch gegriffen.

Die beiden 20-Jährigen, die am Samstag (18.30/Sky) im Liga-Gipfel zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern München aufeinandertreffen, sind zweifellos die Hoffnungsträger des zuletzt kriselnden deutschen Fußballs. 

Vielleicht schon für die Heim-EM, falls Bundestrainer Julian Nagelsmann die beiden genialen Offensiv-Zauberer zusammen ins Team eingebaut bekommt. Was dieser schon erfolgreich versuchte und trotz seiner «Ein Top-Talent weniger, ein Worker mehr»-Aussage wohl auch für die EURO plant. «Es wäre die einzige Mannschaft der Welt, in der zwei herausragende Fußballer nicht zusammenspielen könnten», sagte er. 

Das würde auch Michael Reschke wundern. «Musiala und Wirtz werden die Nationalmannschaft über Jahre entscheidend prägen und uns wieder auf internationales Topniveau führen», sagte der Ex-Manager von Bayer und den Bayern der «Abendzeitung». Dem «kicker» sagte er gar: «Das sind zwei Jahrhundert-Talente, die beide die Chance haben, in ihrer Karriere zum Weltfußballer des Jahres gewählt zu werden.» Für den bisher einzigen deutschen Weltfußballer Lothar Matthäus sind sie auf jeden Fall «unsere großen Hoffnungsträger für das kommende Jahrzehnt». Welcher von beiden der Bessere ist, darauf wollte sich Matthäus nicht festlegen: «Da würde man dem jeweils anderen unrecht tun.»

Musiala mit mehr Erfahrung

Der drei Monate ältere Musiala kann schon deutlich mehr vorweisen. Er machte den FC Bayern mit seinem Tor in der 89. Minute des letzten Spiels der Vorsaison in Köln zum Meister. Es war sein vierter nationaler Titel, an dreien davon hatte er Anteil. Der gebürtige Stuttgarter hat schon 25 Länderspiele absolviert, war bei der WM und EM dabei. Bei den Champions-League-Einsätzen führt er mit 28:0. «Was viel Besseres als Jamal gibt es nicht, und wir wollen, dass er ein großes Gesicht des FC Bayern bleibt und wird», sagte Bayern-Sportdirektor Christoph Freund.

Wirtz spielte zumindest schon 26 Mal in der Europa League und war dabei an 22 Treffern beteiligt. Ein Kreuzbandriss im März 2022 hatte ihn zurückgeworfen, in dieser Saison spielt er aber groß auf. Er könnte Bayer Leverkusen zu den ersten Titeln seit 1993 führen. Und ist dabei der prägende Spieler.

Wirtz sei «ein Führungsspieler» und in der Mannschaft «die totale Identifikationsfigur», erklärte Leverkusens Sportchef Simon Rolfes. Zu seinen Fähigkeiten als Zocker, die er bei seinem «Tor des Jahres 2023» nach einem Solo à la Lionel Messi eindrucksvoll unter Beweis stellte, kämen mehr und mehr Fähigkeiten als echter Spielgestalter. Wirtz habe enorm an Reife gewonnen, sagte Rolfes. «Er wägt besser ab, zwischen risikoreich zu spielen und der Mannschaft den Rhythmus zu geben.» Bayer-Trainer Xabi Alonso, als Profi einst Welt- und Europameister fasste seine Bewunderung für Wirtz in einem prägenden Satz zusammen: «Mit Flo sind wir eine bessere Mannschaft.»

Mit dem wachsenden Druck scheint er gut zurechtzukommen. Musiala ist diesen schon länger gewohnt. Zwar spielt er in München in einem größeren Star-Ensemble, aber auch unter dem größeren Brennglas. 

Ballack von Wirtz begeistert

Wirtz sei der «Motor des ganzen Bayer-Aufschwungs», sagte Reschke. Musiala dagegen «das besondere Kunstwerk auf der Sahnetorte». Ähnlich analysiert es der frühere Nationalmannschafts-Kapitän Michael Ballack, der für beide Clubs lange spielte. «Leverkusen ist etwas mehr von Wirtz abhängig», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Beider Spiel sei derweil «teilweise schon eine Augenweide». Auch Rolfes würde keinen der beiden über den anderen stellen wollen. «Das sind Spieler, die einfach faszinieren», sagte er: «Sie sind ein Geschenk für den deutschen Fußball und jedes Kind, sie als Vorbild zu haben.»

Für Matthäus ist deshalb klar: Diese beiden müssen in der Nationalmannschaft immer spielen. «Ein Trainer muss es hinkriegen, sie in einem Team zu integrieren», stellte er klar. Bleibt die Frage: Gilt das auch für den FC Bayern? Der hatte Wirtz schon zu Kölner Jugend-Zeiten beobachtet und gilt für viele als logischer nächster Schritt. Die Frage ist: Braucht Wirtz diesen überhaupt? Ist es nicht reizvoller, Bayer als Leader zum Konkurrenten auf Augenhöhe aufzubauen und dann irgendwann ins Ausland zu gehen? 

Ein Wechsel im Sommer scheint nicht nur wegen des bis 2027 laufenden Vertrages aktuell jedenfalls unwahrscheinlich. «In der Champions League zu spielen wäre ein Schritt, der noch in Leverkusen erfolgen kann», sagte sein Vater und Berater Hans-Joachim Wirtz dem «kicker»: «Das ist eine gute Perspektive.»

Von Holger Schmidt und Martin Moravec, dpa