WM-Aus? Messi-Streit? Van Gaal geht «unglaublich stolz»

Louis van Gaal war schon immer ein besonders streitbarer und selbstbewusster Mensch. Bei seinem definitiv letzten Spiel als Nationalcoach der Niederlande und vielleicht sogar letzten Spiel einer langen und erfolgreichen Trainerkarriere legte sich der 71-Jährige aber offenbar mit dem Falschen an.

Lionel Messi persönlich ging nach dem dramatischen WM-Viertelfinal-Erfolg der Argentinier im Elfmeterschießen auf van Gaal und dessen Assistenten Edgar Davids zu. Und alles, was der siebenmalige Weltfußballer und neuerliche WM-Halbfinalist dem früheren Bayern-Coach in Worten und Gesten zuwarf, hatte den Tenor: Du redest zu viel.

Argentinien gegen die Niederlande war ein WM-Viertelfinale, das vor 88.235 Zuschauern immer hitziger und hässlicher wurde, je weiter die Nacht vom Freitag auf den Samstag im Lusail-Stadion fortschritt. Vieles ergab sich aus den Szenen auf dem Rasen: einer Rudelbildung in der 89. Minute. Oder der Art und Weise, wie beide Teams einander während und nach dem mit 4:3 für Argentinien geendeten Elfmeterschießen begegneten.

Van Gaal heizt Messi an

Ein Teil von Messis Wut auf van Gaal hatte aber auch mit dessen Äußerungen weit vor dem Spiel zu tun. Etwa der Einschätzung: «Natürlich ist Messi ihr gefährlichster und kreativster Spieler. Auf der anderen Seite beteiligt er sich nicht viel am Spiel, wenn der Gegner in Ballbesitz ist. Darin liegt unsere Chance.» Argentiniens Superstar fühlte sich «nicht respektiert» von van Gaals Kommentaren, wie er Reportern nach dem Halbfinal-Einzug verriet.

Und so endete diese Fußball-Weltmeisterschaft für die Niederländer, wie sie schon an den Tagen zuvor mehr und mehr verlaufen war: mit aller Aufmerksamkeit auf dem Trainer. «Im Moment ist es die van-Gaal-Show», sagte der frühere Bondscoach Dick Advocaat halb anerkennend, halb genervt erst am Tag des Argentinien-Spiels.

Auf wenig ansehnliche aber sehr effektive Weise hatte van Gaal zuvor ein Team ins Viertelfinale dirigiert, das deutlich weniger Potenzial besitzt als etwa die Franzosen, Brasilianer oder auch Argentinier. Der 71-Jährige begleitete dies mit launigen Pressekonferenzen und Tanzeinlagen, die in sozialen Netzwerken sehr goutiert wurden.

Allein aufgrund seiner Präsenz und seiner enormen Erfolge als Champions-League-Sieger mit Ajax Amsterdam (1995), deutscher Meister mit Bayern München (2010) oder WM-Halbfinalist mit den Niederlanden (2014) erwarteten nicht wenige, dass er auch die Argentinier auscoachen würde. Nach dem verdienten WM-Aus aber standen van Gaal und sein Team eher da wie die Scheinriesen, bei denen die späten Tore von Wout Weghorst zum 2:2 (83./90.+11) von einem ansonsten sehr dünnen und passiven Auftritt ablenkten.

«Den falschen Star in ihrer WM-Show»

«Mit van Gaal wählten der Verband KNVB und die Nationalspieler den falschen Star in ihrer WM-Show», kommentierte die Zeitung «De Telegraaf» am Samstag. Und auch damit setzte sich ein nur zu gut bekanntes Schauspiel wie in einer Endlosschleife fort: Medien und Altstars kritisieren den Trainer für seine defensive Spielweise – und der weist das wortgewaltig zurück.

In seiner Pressekonferenz nach dem Argentinien-Spiel  jedenfalls spielten das Ausscheiden und die vielen Streitigkeiten auf dem Platz nur noch am Rande eine Rolle. Van Gaal ging es vielmehr um die Würdigung seiner eigenen dritten Amtszeit als Nationalcoach.

«Ich war ein Trainer für 20 Matches – und wir haben kein Spiel in dieser Zeit verloren. Ich bin unglaublich stolz. Ich hatte eine wunderbare Zeit. Und es ist unglaublich schmerzhaft, auf diese Weise auszuscheiden», sagte er. Da es nach 90 und 120 Minuten 2:2 stand, wertete er dieses Viertelfinal-Aus zumindest statistisch auch nicht als Niederlage. «Was ich hinterlasse, ist eine exzellente Gruppe. In fußballerischer wie menschlicher Hinsicht.»

Es steht bereits seit Monaten fest, dass van Gaal als Oranje-Coach aufhören und von dem ehemaligen Barcelona-Trainer Ronald Koeman  beerbt werden wird. Offen ist nur noch, ob er seine Karriere ganz beendet oder wie zuletzt mehrfach kokettiert bei einem anderen Verband oder Verein noch einmal fortsetzt.

Mit dem WM-Titel wird es schwer. Beim nächsten Turnier 2026 in den USA, Mexiko und Kanada wird van Gaal bereits 74 Jahre alt sein. Und wie viel ihm dieses Ziel bedeutet, sagte der frühere Gladbacher Luuk de Jong nach dem Ausscheiden gegen Argentinien noch einmal: «Natürlich war er am Ende emotional. Denn er hatte den Traum, Weltmeister zu werden. Das war das, was er versucht hat, uns zu vermitteln.»

Sebastian Stiekel, Jens Marx und Miriam Schmidt, dpa