In den deutschen Fankurven nimmt der Protest gegen die WM 2022 in Katar und deren Umstände sichtbar zu – und auch die Verbände wollen sich von der FIFA nicht diktieren lassen, nur über Fußball zu sprechen.
Der Deutsche Fußball-Bund veröffentlichte ein Statement, das zuvor mit neun weiteren europäischen Verbänden abgestimmt worden war. Darin hieß es: «Wir werden weiterhin Impulse für positiven, progressiven Wandel unterstützen und uns weiter für ein überzeugendes Ergebnis hinsichtlich der zwei entscheidenden und offenen Themen einsetzen und engagieren, über die wir seit langer Zeit mit der FIFA diskutieren.»
FIFA fordert Fokus auf den Sport
Die FIFA hatte in dieser Woche einen Brief verschickt, in dem es laut Sky News hieß: «Wir wissen, dass Fußball nicht in einem Vakuum lebt, und wir sind uns ebenso bewusst, dass es überall auf der Welt viele Herausforderungen und Schwierigkeiten politischer Art gibt. Aber lassen Sie bitte nicht zu, dass der Fußball in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt.» Sowohl der DFB als auch der Weltverband hatten bestätigt, dass es ein solches Schreiben gibt.
Neben Deutschland waren an der Antwort, in der deutliche Kritik an der FIFA und dem viel diskutierten Brief ausblieb, auch die Verbände aus Belgien, Dänemark, England, Norwegen, Portugal, Schweden, Wales, der Schweiz und den Niederlanden beteiligt. Konkret gehe es bei den zwei Themen um einen Entschädigungsfonds für Gastarbeiter sowie das Konzept eines in Doha zu errichtenden Gastarbeiter-Zentrums.
Die Verbände begrüßten zwar den Fortschritt von Katar mit Blick auf die Rechte von Gastarbeitern sowie die getätigten Zusagen, dass alle Fans – auch aus der LGBTIQ+-Community – bei der WM sicher seien. Außerdem stimme man der FIFA zu, dass Vielfalt eine Stärke sei. «Jedoch bedeutet das Bekenntnis und Eintreten für Vielfalt und Toleranz auch, Menschenrechte zu unterstützen. Menschenrechte sind allgemeingültig und überall zutreffend», hieß es.
Deutliche Fan-Proteste am 13. Spieltag
Den Fans in Deutschland reicht das nicht. Sie fordern offen in ihren Kurven zu einem Boykott des größten Fußballturniers der Welt auf. «15.000 Tote für 5.760 Minuten Fußball! Schämt euch», war am Samstag auf Transparenten im Berliner Olympiastadion zu lesen. Auch die Dortmund-Fans forderten in riesigen schwarzen Buchstaben auf einem die komplette Tribüne ausfüllenden gelben Transparent zu einem Boykott auf.
Die WM in dem Emirat steht wegen Menschenrechtsverstößen und des Umgangs mit Arbeiterinnen und Arbeitern aus anderen Ländern schon lange in der Kritik. In der Vergangenheit war es auch zu tödlichen Unfällen auf den Baustellen gekommen. Die Regierung des Emirats verweist auf eigene Reformen und weist Teile der Kritik zurück.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die erst in dieser Woche nach Katar gereist waren, hinterfragten derweil einen Fernsehboykott. Die Entscheidung, Spiele im Fernsehen zu verfolgen, wollten sie jedem selbst überlassen, erklärten beide in einem gemeinsamen Interview der «Welt am Sonntag». «Ein Fernsehboykott bewirkt überhaupt nichts», sagte Faeser und fragte: «Ist die Fußball-Weltmeisterschaft für viele Menschen vor dem Fernseher nicht etwas, was sie auch genießen wollen?» Faeser selbst kündigte an, zum ersten deutschen WM-Spiel am 23. November (14.00 Uhr) gegen Japan erneut nach Katar zu reisen.