Zeitenwende im DOSB mit Olympia-Projekt und Sportreform

Der Deutsche Olympische Sportbund steht vor einer Zeitenwende und großen Aufgaben. Gleichzeitig sollen auf der Mitgliederversammlung des DOSB am Samstag in Frankfurt die Olympia-Bewerbung auf einen erfolgreichen Weg und die neue Spitzensportreform schnell ins Laufen gebracht werden.

«Jede Sportnation hat in Breite und Spitze profitiert, wenn sie sich beworben hat», sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert zur gewünschten Wechselwirkung von Olympia-Vorhaben und Reform.  

Der 62 Jahre alte Anwalt erwartet auf dem DOSB-Konvent große Zustimmung für die sogenannte «Frankfurter Erklärung» und für die Entwicklung eines Olympia-Feinkonzepts. Er sei zuversichtlich, dass die Delegierten «die gesellschaftlichen Leitplanken als richtig und zielführend erachten» und dem DOSB den Auftrag erteilen, ein Bewerbungskonzept zu erstellen, das «die Erwartungen vieler Menschen» erfülle, sagte Weikert. 

Zuletzt hatte der DOSB bei Dialog-Foren ausgelotet, wie ein neuer Olympia-Anlauf bei der Bevölkerung ankommen könnte. «Hauptziel des Dialogprozesses in diesem Jahr war es, einen ersten, möglichst repräsentativen Eindruck zu gewinnen, wie die Stimmungslage im Land bezüglich einer erneuten Bewerbung ist», meinte er. Man stehe aber noch «am Anfang eines langen Weges» und des Dialogs mit der Gesellschaft.

«Ich sehe die Bewerbung für die Olympischen Spiele als große Chance für den deutschen Sport und nehme in dieser Frage mehr Einigkeit als in den vergangenen Jahren wahr», meinte Andreas Michelmann, Sprecher der Spitzensportverbände, die zuletzt mit einem einstimmigen Votum das bisherige Vorgehen des DOSB begrüßt haben. 

«Seit mehr als fünf Jahrzehnten leben wir von der langsam verblassenden Erinnerung an die Olympischen Spiele von 1972 in München, die 2022 mit den European Championships aufgefrischt worden ist», sagte er. «Ich glaube fest daran, dass etwas Ähnliches in Deutschland wieder möglich ist – weltoffen auf einem nachhaltigen Fundament.» 

Skeptisch und sehr kritisch hatte sich hingegen die frühere Radsport-Präsidentin Sylvia Schenk über die bisherigen Bemühungen des DOSB geäußert. «Die Bewerbung ist inhaltlich und emotional blutleer und es werden grobe Fehler gemacht», sagte die 71-jährige Frankfurterin.

Ob die DOSB-Mitgliederversammlung Ende 2024 über eine Olympia-Kandidatur – aller Voraussicht nach – für die Sommerspiele 2036 oder 2040 entscheiden kann, hängt von der angestrebten Bürgerbefragung ab. «Unsere Meinung ist klar: Es kann und wird keine Bewerbung an der Mehrheit der Bevölkerung vorbei geben», bekräftigte Weikert. In Hamburg war 2015 eine Bewerbung für die Sommerspiele per Volksentscheid abgelehnt worden, genauso wie zwei Jahre zuvor die Bewerbung Münchens für die Winterspiele.

Hamburg und München wollen ebenso wie Berlin, Leipzig und die Region Rhein-Ruhr wieder mit im Boot sitzen. Dass es beim olympischen Neuanlauf auch wieder Widerstand geben wird, zeigt sich in Berlin, wo Linke und Grüne eine Bewerbung «ganz klar» ablehnen.

Hindernisse gibt es bereits bei der geplanten Reform der Förderung und Steuerung des Spitzensports. Seit die Haushaltspolitiker des Bundestags die Konstruktion der Sportagentur, dem Kernstück des Projektes, infrage gestellt haben und nur 200.000 statt 600.000 Euro für deren Aufbau bewilligten, ist der Ärger groß. Michelmann wetterte über «parteipolitische Machtspiele», die wegweisende Entscheidungen blockierten, und einen «Vertrauensbruch». 

Auch der DOSB-Chef zeigte sich verärgert. Das Feinkonzept für die Reform sei nur eine gute Grundlage, «wenn wir jetzt so schnell wie möglich in die Umsetzung kommen», so Weikert: «Da liegt der jetzt erstmal im Feld der Politik.» Vielleicht hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine Lösung parat, wenn sie am Samstag ihre Gastrede hält. Auf jeden Fall drängt die Zeit. Denn vor den Spielen 2032 in Brisbane ist kein Reformeffekt zu erwarten.

Während große Zustimmung der DOSB-Delegierten bei diesen beiden großen Themen zu erwarten ist, könnte es eine kontroverse Debatte über einen Antrag des Präsidiums geben, seinen Mitgliedern eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Über die angemessene Höhe soll eine Ad-hoc-Kommission entscheiden, die berufen werden soll. 

«Wenn man eine Bezahlung darunter versteht, des ehrenamtlich Tätigen, dann gehört das und auch die Größenordnung offen benannt», sagte Triathlon-Präsident Martin Engelhardt dem «Deutschlandfunk». Die einen sagten, es gehe um 2500 Euro im Monat pro Person, andere sagten zwischen 5000 und 6000 Euro oder 8000 Euro. «Das halte ich ehrlich gesagt für nicht angemessen», meinte er.

Andreas Schirmer, dpa