Die Erinnerungen an den emotionalen Tokio-Erfolg über Novak Djokovic wollte Alexander Zverev vor dem nächsten Halbfinalshowdown nicht zu wichtig nehmen.
«Wir sind hier in Turin, nicht in Tokio. Wir sind hier auch nicht mehr in New York. Wir sind hier bei einem neuen Turnier. Ich bereite mich auf ein sehr, sehr schweres und sehr, sehr langes Match vor», sagte der Weltranglisten-Dritte: «In jedem Match, das wir gespielt haben, mussten wir beide unser bestes Tennis spielen.» Mit verschränkten Armen saß er in der Pressekonferenz, nur kurz huschte dem besten deutschen Tennisspieler beim Gedanken an ein erneutes Duell mit dem Weltranglisten-Ersten ein Lächeln über das Gesicht.
«Ich freue mich drauf»
«Ich weiß, dass es nicht einfach wird gegen die Nummer eins der Welt, aber ich freue mich darauf», sagte Zverev am Donnerstag in Turin nach seinem souveränen 6:2, 6:4 gegen den polnischen Wimbledon-Halbfinalisten Hubert Hurkacz im Gruppenfinale. Das Aufeinandertreffen am Samstag mit der Nummer eins der Welt im Halbfinale weckt Erinnerungen an die Olympischen Spiele im Sommer.
Gern redete der 24-Jährige ein weiteres Mal über seine Goldmedaille von Tokio, der Erfolg gegen den Serben in der Vorschlussrunde war das Schlüsselspiel. «Ich denke, die Olympischen Spiele und die Goldmedaille sind das Größte, was man im Sport erreichen kann.»
Ob ihm ein erneuter Coup gelingt, ist nur schwer zu prognostizieren. Anders als bei Olympia hatte der Hamburger den 34 Jahre alten Serben zuletzt bei den US Open im September nicht bezwingen können. Insgesamt hat er gegen den 20-fachen Grand-Slam-Sieger nur drei von zehn Spielen für sich entschieden.
Erinnerungen an Titel vor drei Jahren
Dennoch dachte der Norddeutsche im Moment des Halbfinaleinzugs sofort an seinen Titel-Coup beim Jahresendturnier vor drei Jahren. «Vielleicht, vielleicht wird es wieder so», sagte der Olympiasieger auf dem Platz – nur wenige Minuten, nachdem er den Matchball gegen den polnischen Weltranglisten-Neunten Hurkacz verwandelt hatte.
Damals habe er doch auch das zweite Gruppenspiel gegen den serbischen Topspieler Djokovic verloren – und sich dann mit dem Erfolg im Endspiel gegen den Serben revanchiert, erzählte er. Diesmal könnte dies im Finale gegen Daniil Medwedew so ablaufen. Dem russischen US-Open-Gewinner unterlag er am Dienstag zum fünften Mal in Serie. Medwedew stand damit als Sieger der roten Gruppe fest.
Der Druck gegen Hurkacz war für Zverev in seinem Gruppenfinale deswegen groß. Ein Ausrutscher – und die Nummer drei der Welt hätte in den Urlaub fliegen können. «Es war heute mental nicht einfach, weil ich wusste, dass ich gewinnen muss, um ins Halbfinale zu kommen», räumte Zverev ein. Sein Auftritt wirkte dann zunächst entspannt und war bemerkenswert dominant.
Hurkacz kein wirklicher Härtetest
Ein echter Härtest für ein Duell mit Djokovic wurde die Partie aber nicht. Hurkacz lieferte zu wenig Gegenwehr und wirkte körperlich nicht so spritzig. Das Match wurde geprägt von kurzen Ballwechseln. Einen Spiel-Rhythmus zu finden, war schwierig. Zverev strahlte Ruhe aus, erwischte einen perfekten Start – lag nach gerade einmal zehn Minuten mit 4:0 vorn. Ein solch überlegen gewonnener Satz gegen einen Top-Ten-Spieler ist auch für die Nummer drei der Welt selten. Im zweiten Durchgang musste Zverev mehr kämpfen, bis ihm das entscheidende Break zum 5:4 gelang.
Sein zweiter Sieg im dritten Gruppenspiel reichte bei der Turin-Premiere, um wie zuvor 2018 und 2019 in die Top Vier einzuziehen. Die mit mehr als sieben Millionen US-Dollar Preisgeld dotierten ATP Finals zählen hinter den Grand-Slam-Turnieren zu den wichtigsten Tennis-Turnieren. «Ich bin natürlich sehr glücklich, hier zum ersten Mal in Turin im Halbfinale zu sein. Es ist eine großartige Atmosphäre», sagte Zverev. «Ich bin sicher, dass die Atmosphäre am Samstag prickelnder und noch besser sein wird.» Seine Saison hat er zumindest um eine interessante Partie verlängert.